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Wie barrierefrei sind Webseiten und Apps von Behörden? – Der Kurzbericht 2025 ist da!

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Die BFIT-Bund hat eine Kurzfassung des zweiten Monitoringberichts zum Umsetzungsstand der Digitalen Barrierefreiheit öffentlicher Stellen in Deutschland veröffentlicht. Die Kurzfassung liefert einen komprimierten Überblick über den Monitoringbericht mit dem sperrigen Titel: Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission über die periodische Überwachung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen gemäß Artikel 8 der Richtlinie (EU) 2016/2102. Der nachfolgende Beitrag schafft einen Überblick und sortiert die Ergebnisse ein.

Digitale Barrierefreiheit bleibt ein zentrales Thema

Webseiten und Apps öffentlicher Stellen – also von Ministerien, Behörden, Kommunen aber auch Schulen oder kulturellen Einrichtungen – müssen barrierefrei zugänglich sein. Das schreibt die EU-Richtlinie 2016/2102 ebenso vor wie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die BITV 2.0. Alle drei Jahre müssen die Mitgliedstaaten der EU Bericht (Monitoringbericht) darüber erstatten, wie weit sie mit der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit gekommen sind. In Deutschland übernimmt diese Aufgabe die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) gemeinsam mit den Ländern. Da der Monitoringbericht im Original sehr umfangreich ist, hat die BFIT-Bund eine Kurzfassung veröffentlicht. Im zweiten Kurzbericht (Berichtszeitraum 2022–2024) zieht die BFIT-Bund nun erneut Bilanz.

Vorgehen bei der Überwachung

Die Überwachung der digitalen Barrierefreiheit erfolgt in Deutschland und Euroap nach einem standardisierten Verfahren. Die Überwachungsstellen führen zwei Prüfarten durch. Zum einen die sogenannten Vereinfachte Überwachung, eine meist automatisierte Stichprobe von bis zu sieben Seiten pro Website. Die Vereinfachte Überwachung prüft nicht den gesamten Prüfkatalog und alle Anforderungen an Barrierefreiheit, sondern nur ausgewählte Anforderungen – oft automatisiert – und liefert keinen Nachweis über eine vollständige Gesetzeskonformität. Im Gegenteil. Oft, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, wird die Vereinfachte Überwachung vollautomatisch durchgeführt. Im Prüfbericht selbst steht dann (Originaltext): „Die Prüfung der Anwendung erfolgte im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen vereinfachtenÜberwachung. Sie beschränkt sich auf wenige Prüfschritte und wird automatisiert durchgeführt.Wir bitten zu berücksichtigen, dass es bei Bearbeitung durch eine Maschine vermehrt zu FalsePositives (Falscher Alarm) kommen kann und die vereinfachte Überwachung keinen Nachweisder Gesetzeskonformität darstellt. Sollten für Sie Fehlermeldungen in Ihrem Prüfbericht nichtnachvollziehbar sein, bitten wir Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen.“ Das zeigt, die vereinfachte Überwachung kann nur ein grobes Lagebild liefern, keine verbindliche Aussage über die Rechtskonformität einzelner Websites. Leider steht zu befürchten, dass dieser Umstand auch die Gesamtergebnisse des Monitorinberichts verfälscht – aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele Prüfberichte auf Basis einer vereinfachten Überwachung wirklich fehlerhaft sind, wenn sie vollautomatisch erzeugt wurden. Das gilt im gleichen Maße auch für die automatische Prüfung von PDF-Dokumenten. 

Neben der vereinfachten Überwachung gibt es noch das Instrument der eingehenden Überwachung: eine vertiefte Prüfung mit bis zu 15 Seiten, teils manuell, die detailliertere Aussagen zur tatsächlichen Nutzbarkeit ermöglichen soll. Insgesamt basiert das Monitoring auf Stichproben, die verschiedene Verwaltungsebenen (Bund, Land, Kommune) und Themenbereiche abbilden sollen.

Umfang und Ergebnisse

Im zweiten Berichtszeitraum wurden bundesweit über 7.200 Websites und 269 Apps überprüft – deutlich mehr als im Zeitraum 2020/2021 (damals 1.892 Websites und 57 Apps). Die zentrale Erkenntnis bleibt ernüchternd. Kein einziges geprüftes digitales Angebot war vollständig barrierefrei. Allerdings ist das kein überraschendes Ergebnis – schon ein einziger nicht erfüllter Prüfschritt reicht aus, um eine Website als „nicht barrierefrei“ einzustufen. Dennoch zeigen sich bei genauerem Blick differenzierte Entwicklungen:

  • Verständlichkeit bleibt mit über 80 % erfüllten Anforderungen das am besten bewertete Prinzip.
  • Robustheit – also Kompatibilität mit unterschiedlichen Geräten und Hilfstechnologien – konnte um 15 % verbessert werden.
  • Wahrnehmbarkeit und Bedienbarkeit stagnierten oder verschlechterten sich leicht.
  • Bei Apps sanken die Erfüllungsquoten insgesamt, insbesondere bei der Robustheit (nur 37,5 %).

Auch die Erklärungen zur Barrierefreiheit (EzB) werden häufiger bereitgestellt: 48 % der Websites verfügten 2024 über eine solche Erklärung (2021: 36 %), aber nur 13,5 % erfüllten die formalen Anforderungen vollständig.

Fortschritte – aber kein Durchbruch

Der Kurzbericht der BFIT-Bund zeigt, dass sich das Bewusstsein für Barrierefreiheit in Behörden verbessert hat. Immer mehr öffentliche Stellen reagieren auf Prüfberichte, suchen Beratung und Schulung. Gleichzeitig bestehen weiterhin strukturelle Defizite:

  • Mangelnde personelle und fachliche Ressourcen behindern Fortschritte.
  • Teilweise werden Ausnahmeregelungen wegen „unverhältnismäßiger Belastung“ missbräuchlich genutzt.
  • Besonders kleinere öffentliche Stellen – Schulen, Kommunen, lokale Einrichtungen – haben weiterhin erhebliche Umsetzungsprobleme.

Positiv bewertet die BFIT-Bund den Trend zu mehr Kooperation und Austausch: Überwachungsstellen und Kompetenzzentren bieten verstärkt Schulungen, Checklisten und Beratungen an.

Erkenntnisse und Lösungsansätze

Die zweite Monitoring-Runde zeigt deutlich: Barrierefreiheit lässt sich nicht durch Einzelmaßnahmen oder gar durch Overlay-Tools „nachrüsten“. Sie muss strukturell verankert werden – von der Ausschreibung über das Design bis zur redaktionellen Pflege. Empfohlen werden:

  • feste Ansprechpartner*innen für Barrierefreiheit in allen Behörden,
  • verbindliche Berücksichtigung der BITV- und EN 301 549-Anforderungen in Vergabeverfahren,
  • kontinuierliche Schulungen und Austausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen,
  • stärkere Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Prüf- und Entwicklungsprozessen.

Feedback-Mechanismus: Beteiligung von Nutzerinne und Nutzern

Der Bericht betont die Bedeutung des Feedback-Mechanismus (§ 12b BGG, § 7 BITV 2.0). Über ihn können Bürgerinnen und Bürger Barrieren melden. Allerdings ist die Nutzung der Feedback-Möglichkeiten ist bislang laut Bericht eher gering. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) stellte allerdings auch fest, dass Feedback, wenn es denn gegeben wird, häufig ins Leere läuft, weil Ansprechpersonen fehlen, Formulare nicht barrierefrei sind oder Reaktionen ausbleiben. Gleichzeitig zeigen laut Bericht einige gute Praxisbeispiele, dass funktionierende Rückmeldeprozesse spürbar zur Verbesserung beitragen können.

Künstliche Intelligenz als Chance – und Herausforderung

Neu im Kurzbericht 2025 ist der Blick auf Künstliche Intelligenz (KI) in der Barrierefreiheit. KI kann laut Bericht heute schon bei der Erstellung von Alternativtexten, bei der Übersetzung in Leichte Sprache oder der Erstellung von Gebärdensprachvideos unterstützen. Doch die BFIT-Bund betont ganz klar, Künstliche Intelligenz darf die menschliche Qualitätskontrolle nicht ersetzen. Automatisch erzeugte Inhalte müssen redaktionell geprüft werden, um Fehldeutungen oder diskriminierende Verzerrungen zu vermeiden. Zudem fordert der Bericht, Menschen mit Behinderungen stärker in die Entwicklung barrierefreier KI-Systeme einzubeziehen.

Fazit: Fortschritte mit vielen offenen Baustellen

Die zweite Überwachungsperiode zeigt – ähnlich wie der erste Bericht von 2021 – laut Einschätzung von BFIT-Bund, dass das Thema Digitale Barrierefreiheit angekommen ist, aber längst nicht auf breiter Ebene umgesetzt wird. Das Bewusstsein wächst, die Umsetzung hinkt hinterher. Laut Monitoringbericht erfüllt kein geprüfter Webauftritt vollständig die gesetzlichen Anforderungen, wobei viele Prüfungen nur oberflächlich oder automatisiert durchgeführt werden. Die Frage, ob eine vertiefte und validere Überprüfung bessere oder schlechter Ergebnisse erzielen würde, muss jeder selbst für sich beantworten. So oder so ist ist die Richtung klar: es wurden mehr Websites und Apps als zuvor geprüft. Es gibt mehr Erklärungen zur Barrierefreiheit und wohl auch wachsendes Engagement in den Behörden, und es gibt neue technologische Ansätze, zu denen aber nach wie vor nicht die Overlay-Tools gehören.  Für die kommenden Jahre fordert die BFIT-Bund auf jeden Fall, dass Barrierefreiheit als dauerhafte Querschnittsaufgabe fest in alle Prozesse integriert wird. Digitale Barrierefreiheit ist keine einmalige Sache, sondern Daueraufgabe. 

Ausblick

2025 markiert mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) auch für die Privatwirtschaft einen Wendepunkt. Die Anforderungen für den öffentlichen Sektor und für Teile der Privatwirtschaft werden sich zunehmend angleichen. Auch wenn es noch viel zu tun gibt, kommen wir damit der Idee einer digital barrierefreien Gesellschaft näher – wenn alle Beteiligten die Ergebnisse dieses Berichts ernst nehmen und konsequent handeln. Die vom BFSG betroffene Privatwirtschaft kann aus dem zweiten Monitoringbericht auf jeden Fall mitnehmen, dass das Monitoring seitens der Überwachungsstellen nochmal erheblich verstärkt wurde – gemütlich zurücklehnen und abwarten ist als keine gute Idee. 

Mehr zum Theme Monitoringbericht

Der Artikel über den ersten Monitoring-Bericht 2021 mit einer ausführlichen Analyse der damaligen Ergebnisse findet sich hier:
Erster Monitoring-Bericht zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2102 in Deutschland (Barrierekompass, 2021)

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Die intensive Beschäftigung mit digitaler Barrierefreiheit spiegelt sich auch in diversen Auszeichnungen wider, die anatom5 seit 2003 erhalten hat, darunter 10 Nominierungen für einen BIENE-Awards der Aktion Mensch.

Digitale Barrierefreiheit