Barrierefreie PDF prüfen – mit Tools testen
Barrierefreiheit bei PDF-Dokumenten ist kein „Nice-to-have“ mehr – sie ist in Teilen durch das BFSG (Privatwirtschaft) und natürlich durch die BITV (Öffentliche Hand) verpflichtend. Nicht zuletzt durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die EN 301 549 ist klar: Wer PDF-Dokumente erstellt oder veröffentlicht, trägt Verantwortung. Technisch wie rechtlich. Umso wichtiger ist es, die richtigen Werkzeuge für die Prüfung der Barrierefreiheit zu kennen und sinnvoll einzusetzen. Ganz vorne mit dabei: Der PDF Accessibility Checker (PAC), inzwischen in der Version PAC 2024, sowie Acrobat Pro und ergänzend ein praktischer Test mit einem Screenreader wie NVDA oder VoiceOver.
PDF Accessibility Checker (PAC 2024)
Der PAC ist seit Jahren das Standard-Tool für die maschinelle Prüfung von PDF-Barrierefreiheit. Ursprünglich entwickelt von der Schweizer Stiftung „Zugang für alle“ ist PAC kostenlos erhältlich und liefert valide Ergebnisse für verschiedene Normen.
PAC 2024 prüft:
- Kriterien des internationalen Standards PDF/UA (ISO 14289-1),
- maschinell prüfbare Techniken der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG),
- und zusätzliche Aspekte unter dem Reiter „Qualität“ – wie das Vorhandensein von Überschriften
PAC 2024 bietet diverse Ansichten, zum Beispiel zur Prüfung der Strukturlogik oder auch zur Dokumentenstatistik. Der PAC Detail-Bericht selbst ist übersichtlich gegliedert, klickbar und führt direkt zur beanstandeten Stelle im PDF.
Ein wesentlicher Bestandteil der technischen Grundlage von PAC 2024 ist die Umsetzung des sogenannten Matterhorn-Protokolls. Dabei handelt es sich um einen von einem internationalen Konsortium entwickelten Prüfkatalog, der die Anforderungen des Standards PDF/UA (ISO 14289-1) in einzelne, klar definierte Prüfschritte übersetzt. PAC 2024 prüft im Rahmen seiner automatisierten Analyse alle maschinell testbaren Prüfpunkte dieses Protokolls und macht so den Abgleich mit der Norm systematisch nachvollziehbar.
Wichtig dabei: Das Matterhorn-Protokoll enthält nicht nur maschinell prüfbare Anforderungen. Ein erheblicher Teil der Prüfschritte erfordert zwingend eine manuelle Prüfung. Dazu zählen zum Beispiel Kontraste in informationstragenden Grafiken, die Aussagekraft und Angemessenheit von Alternativtexten oder Textbezüge auf visuelle Merkmale. Gleiches gilt für die Auszeichnung von Sprachwechseln oder auch die korrekte Einstellung der Dokumentensprache. Automatisch kann zum Beispiel nur geprüft werden, ob die Dokumentensprache gesetzt ist, nicht aber, ob die Sprache auch korrekt ausgewählt wurde. Viele solcher Aspekte lassen sich nicht automatisiert bewerten, sondern müssen immer manuell beurteilt werden.
Fazit: PAC 2024 ist ein starkes Werkzeug – aber kein Ersatz für fachliche Expertise und den kritischen Blick auf Struktur, Semantik und Inhalt eines barrierefreien Dokuments. Ein „grüner PAC-Bericht“ ist kein Beleg für Barrierefreiheit.
PAVE – PDF Accessibility Validation Engine
Neben PAC gibt es weitere Tools, die man zum Testen verwenden kann. Wer PDF-Dateien direkt im Browser auf Barrierefreiheit prüfen und dabei auch einfache Korrekturen vornehmen möchte, findet in PAVE (PDF Accessibility Validation Engine) ein hilfreiches Werkzeug. Auf der Webseite von PAVE können PDF-Dokumente hochgeladen und automatisch geprüft werden. Das Tool liefert eine visuelle Darstellung der Tag-Struktur und zeigt gezielt Barrieren auf. Für kleinere Dateien besteht zusätzlich die Möglichkeit, einige typische Fehler direkt im Tool zu beheben – etwa die Kennzeichnung von Überschriften oder das Einfügen fehlender Alternativtexte.
Nach der Bearbeitung kann das optimierte PDF wieder heruntergeladen werden. Besonders für Einsteiger und Einsteigerinnen oder zur schnellen Vorprüfung ist PAVE eine sinnvolle Ergänzung. Allerdings gilt es, wie bei allen webbasierten Tools, den Datenschutz im Blick zu behalten: Die Dokumente werden auf externe Server hochgeladen und dort verarbeitet. Auch hat es in den vergangenen Jahren offenbar keine nennenswerten Weiterentwicklungen mehr gegeben. Dennoch liefert PAVE in vielen Fällen eine solide Grundlage, um den Einstieg in die Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten zu erleichtern.
Barrierefreie PDF mit Adobe Acrobat Pro prüfen
Auch mit Adobe Acrobat Pro lässt sich die Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten prüfen – allerdings mit gewissen Einschränkungen. Die integrierte Barrierefreiheitsprüfung (früher „Vollständige Prüfung“) analysiert die Datei anhand technischer Anforderungen wie vorhandene Tags, korrekte Lesereihenfolge, Auszeichnung von Überschriften oder Alternativtexte bei Bildern. Dabei liefert sie einen detaillierten Prüfbericht, der aufzeigt, an welchen Stellen das Dokument potenziell gegen Barrierefreiheitsstandards verstößt. Die Ergebnisse sind nachvollziehbar aufbereitet, verlinkt mit den betroffenen Elementen und enthalten teilweise auch Handlungsempfehlungen.
Die Stärken von Acrobat liegen vor allem in der Kombination von Prüfung und Korrektur innerhalb einer Anwendung. Die Barrierefreiheitsprüfung bietet eine solide Grundlage für eine erste Analyse – ersetzt aber keine vollständige Qualitätssicherung. Denn viele Anforderungen an ein barrierefreies PDF lassen sich wie gesagt nicht automatisiert prüfen – auch nicht mit der Adobe Acrobat Pro Prüfung. Auch Adobe Acrobat Pro kann zum Beispiel die korrekte semantische Auszeichnung von Inhalten, die Logik der Lesereihenfolge oder die Sinnhaftigkeit von Alternativtexten nicht valide bewerten.
Gerade bei anspruchsvolleren Dokumenten – etwa mit komplexen Tabellen, verschachtelten Strukturen oder doppelseitig gestalteten Magazinen – sind zusätzliche manuelle Prüfungen unerlässlich. Adobe selbst stellt dafür Werkzeuge bereit, mit denen sich Lesereihenfolge, Tag-Struktur oder die Umfließen-Darstellung kontrollieren lassen. Wer sich die Mühe macht, diese Funktionen gezielt einzusetzen, erkennt schnell: Ein formal korrekt getaggtes Dokument muss noch lange nicht barrierefrei sein. Die inhaltliche und semantische Qualität entscheidet letztlich über die tatsächliche Zugänglichkeit.
Übrigens: auch andere am Markt befindliche Programme, wie Foxit oder Kofax beinhalten eigene Tests zum Überprüfen der Barrierefreiheit der erstellten PDF-Dateien. Aber Vorsicht, auch hierbei handelt es sich nicht um eine vollständige Prüfung, die Gesetzeskonformität sicherstellt.
PDF-Testverfahren von BIT inklusiv
Eine zusätzliche Orientierung bietet das BITi-Test-Framework, das im Mai 2024 um ein eigenes Verfahren zur Bewertung der Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten erweitert wurde. Entwickelt wurde der PDF-Test von BIT inklusiv in Zusammenarbeit mit Experten und Expertinnen aus Praxis, Verwaltung und Forschung. Ziel war es, einheitliche, nachvollziehbare und reproduzierbare Prüfverfahren zur Verfügung zu stellen – gerade für Organisationen, die regelmäßig komplexe Dokumente bereitstellen oder ausschreiben lassen. Der BITi-PDF-Test bewertet barrierefreie PDF-Dokumente auf Grundlage von PDF/UA, den PDF Techniques für WCAG und den Anforderungen der EN 301 549. Das Verfahren kombiniert automatisierte Prüfungen mit klar strukturierten, manuellen Prüfschritten, die dokumentiert und bewertet werden. Die Prüfdokumentation sowie eine Einführung in das Verfahren sind unter
https://pdftest.bit-inklusiv.de verfügbar.
Screenreader-Test mit NVDA oder VoiceOver
Ein echter Test mit einem Screenreader wie NVDA (für Windows) oder VoiceOver (für macOS) ist nach wie vor eine gute Methode, um zu erfahren, wie ein PDF tatsächlich erlebt wird. Er zeigt auf, ob Informationen in der richtigen Reihenfolge, mit korrekter Semantik und vollständig zugänglich ausgegeben werden.
Dabei lohnt sich besonders der Blick auf:
- Überschriftenstruktur und Navigation,
- Alternativtexte für Bilder und Grafiken,
- semantische Auszeichnung von Tabellen, Listen, Zitaten etc.,
- Kennzeichnung von Sprachwechseln,
- konsistente Lesereihenfolge bei komplexeren Layouts.
Visuelle Prüfung mit der Screenreader-Vorschau in PAC 2024
Nicht immer steht ein Screenreader zur Verfügung oder man möchte sich vorab einen strukturellen Überblick verschaffen. Hier bietet PAC 2024 eine gute visuelle Unterstützung: die Screenreader-Vorschau, auch bekannt als „Accessibility Preview“. Diese Ansicht zeigt – rein visuell – genau das, was ein Screenreader "sehen" würde. Dabei lassen sich Inhalt und Tag-Struktur parallel zur Originalansicht des PDFs darstellen. Das ermöglicht einen schnellen visuellen Abgleich, ob alle Inhalte korrekt und in der richtigen Reihenfolge getaggt sind. Diese visuelle PDF-Prüfung ist besonders wichtig, denn falsch getaggte Inhalte sind für Nutzende mit Screenreader mindestens genauso problematisch wie fehlende Tags. Ein Absatz, der als Überschrift getaggt wurde, führt genauso in die Irre wie eine Überschrift, die als Absatz markiert ist. Es geht nicht nur darum, dass ein Dokument mit Tags versehen ist, sondern auch darum, dass diese semantisch korrekt sind. PAC 2024 macht solche Fehler in der Vorschau sichtbar – und das ohne technische Barrieren für den Prüfenden. In Verbindung mit dem PAC-Prüfbericht entsteht so ein sehr relativ schnell zugängliches Prüf-Setup für redaktionelle und technische Kontrolle gleichermaßen.
BFIT-Bund Handreichung für barrierefreie Dokumente
Ein weiteres hilfreiches Toolkit für barrierefreie PDF-Dokumenten kommt von der Überwachungsstelle des Bundes für barrierefreie Informationstechnik (BFIT-Bund). Unter dem Titel „Barrierefreie Dokumente in Lernkontexten“ stellt die Überwachungsstelle eine Handreichung mit praxisnahen Informationen bereit, die sich nicht nur auf Bildungsangebote beschränken, sondern für die barrierefreie Gestaltung von PDF-Dokumenten allgemein wertvoll sind.
Die Handreichung richtet sich an Lehrende, Redaktionen und technische Umsetzer und Umsetzerinnen und gibt strukturierte Hinweise zu Layout, semantischer Auszeichnung, Lesereihenfolge, Alternativtexten, Navigation und vielem mehr. Auch der Zusammenhang zwischen WCAG, PDF/UA und EN 301 549 wird dort gut nachvollziehbar erklärt. Das Toolkit steht kostenfrei zur Verfügung und kann unter https://handreichungen.bfit-bund.de/bf-dokumente-lernkontext/
abgerufen werden.
Rechtlicher Rahmen BFSG: PDF/UA, WCAG und EN 301 549
Barrierefreie PDFs sind im Rahmen des BFSG in Teilen rechtlich verpflichtend geregelt. Die technischen Grundlagen finden sich in mehreren, sich ergänzenden Standards und Richtlinien. Der internationale Standard PDF/UA (ISO 14289-1) beschreibt die technischen Mindestanforderungen für barrierefreie PDF-Dokumente. Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) – insbesondere in Verbindung mit den sogenannten PDF Techniques – ergänzen PDF/UA um Anforderungen an Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Die WCAG sind in die europäische Norm EN 301 549, Kapitel 10 eingeflossen.
Was regelt das BFSG?
Seit dem 28. Juni 2025 ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) anzuwenden – und es betrifft nicht nur Webseiten und mobile Apps, sondern auch viele PDF-Dokumente, die Unternehmen bereitstellen. Wer Dienstleistungen oder Produkte digital anbietet, muss sicherstellen, dass relevante Informationen zu Produkten und Dienstleistungen barrierefrei zugänglich sind. Das BFSG betrifft insbesondere PDF-Dokumente, die für den Verbraucher bereitgestellt werden – zum Beispiel:
- Produktdatenblätter und Produktinformationen
- Bedienungsanleitungen
- AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)
- Widerrufsbelehrungen
- Vertragsunterlagen
- Rechnungen
- Serviceformulare
- Broschüren zu Dienstleistungen oder Produkten
- Supportinformationen und Garantiebestimmungen
Das BFSG sieht nicht nur gestärkte Verbraucherrechte vor, sondern auch eine Marktüberwachung durch Behörden. Bei Verstößen drohen Unternehmen Bußgelder und Unterlassungsverfügungen – insbesondere, wenn digitale Inhalte wiederholt nicht barrierefrei bereitgestellt werden. Das gilt auch für PDF-Dokumente der oben genannten Kategorien. Im Zweifelsfall sollten Sie juristischen Rat suchen, wenn Sie unsicher sind, welche PDF-Dokumente genau unter die gesetzlichen Anforderungen des BFSG fallen.
Fazit: die Barrierefreiheit von PDF muss manuell geprüft werden
Der grüne PAC-Bericht ist kein Beleg für Barrierefreiheit. Ein barrierefreies PDF ist das Ergebnis sorgfältiger Arbeit, fundierter Prüfung und ständiger Kontrolle. Tools wie PAC 2024, Acrobat Pro, PAVE und Screenreader-Tests helfen, die gesetzliche geforderte Barrierefreiheit zu erreichen. Das BFSG macht unmissverständlich klar: Wer digitale Dokumente bereitstellt, muss sich um die Barrierefreiheit kümmern. Setzen Sie auf automatisierte Prüfungen plus manuelle Tests. Dokumentieren Sie Ihre Prüfprozesse und berücksichtigen Sie sowohl den PDF/UA Standard als auch die Anforderungen aus EN 301 549, Kapitel 10. So bleiben Sie rechtlich auf der sicheren Seite.