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Barrierefreies Internet

Accessibility, Usability und Richtlinien

Barrierefreies Internet und die Begriffe Accessibility (Zugänglichkeit) und Usability (Benutzbarkeit / Bedienerfreundlichkeit) sind etablierte und mittlerweile präzise definierte Begriffe, um digitale Services allgemein und das Internet speziell für alle Menschen zugänglich zu machen. Die offiziellen Richtlinien der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) konzentrieren sich dabei auf Barrieren für Menschen mit einer Behinderung, wohingegen die allgemein formulierten Usability-Grundsätze der EN ISO 9241 das Thema Barrierefreiheit nicht von der Barriere her betrachten, sondern vom gewünschten Ziel eines benutzbaren Systems.

Die technische Umsetzung von Websites und Apps sollte nicht nur die Richtlinien für Barrierefreiheit erfüllen, sondern auch folgende Grundsätze, wenn Sie Barrierefreiheit ganzheitlich betrachten wollen: Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Lernförderlichkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität, Individualisierbarkeit und Fehlertoleranz. Die in Abschnitt 111 der DIN EN ISO 9241 formulierten Leitkriterien für Gebrauchstauglichkeit von Software sollten Sie ebenfalls kennen. Sie werden in den offiziellen Richtlinien für Barrierefreiheit nicht explizit angesprochen, unterstützen aber in hohem Maße die Barrierefreiheit – letztlich nicht nur für Menschen mit einer Behinderung. Dazu gehören Effektivität bei der Aufgabenerfüllung, Effizienz der Bedienung sowie die allgemeine Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer.

Junger Mann im Rollstuhl mit Bulldogge auf dem Schoß versucht mit einer Hand am Laptop zu arbeiten

Digitale Barrierefreiheit

Menschen mit einer Behinderung bilden einen nicht unerheblichen Teil der Internetnutzenden – vor allem, wenn man die immer größer werdende Zielgruppe der Seniorinnen und Senioren hinzurechnet. Doch gerade diese Zielgruppe stößt häufig auf Hürden und Barrieren, die eine gleichberechtigte und vor allem eigenständige Nutzung digitaler Medien erschweren. Die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit werden sowohl von Websitebetreibern als auch von Agenturen oft falsch eingeschätzt. Ein Grund dafür: Die Richtlinien für Barrierefreiheit entwickeln sich laufend weiter, sowohl technisch als auch gesetzlich.

Doch wie orientiert man sich beim Thema Barrierefreiheit? Welche Pflichten bestehen bei der Erstellung von Internetseiten, Apps oder auch Dokumenten wie PDF? Und für wen gelten die offiziellen Richtlinien überhaupt? Was bedeutet die BITV und was ist der Unterschied zu den WCAG oder zur EN 301 549? Diese und viele weitere Fragen beantwortet der Barrierekompass – betrieben von der Agentur anatom5, die das Thema seit 2003 begleitet.

Junge Frau im Rollstuhl mit Laptop auf dem Schoß

Barrierefreiheit – mehr als Richtlinien

Das Internet begleitet uns überall – zuhause, im Büro oder unterwegs. Informationen und Services sind zu jeder Zeit verfügbar. Doch nur wenn sie barrierefrei gestaltet sind, können alle Menschen – unabhängig von individuellen Einschränkungen – gleichberechtigt daran teilhaben. Die offiziellen Richtlinien für Barrierefreiheit definieren das untere Maß an digitaler Zugänglichkeit. In Europa sind das:

  • die EU-Richtlinie 2016/2102 (für öffentliche Stellen),
  • die EN 301 549 als technische Umsetzung,
  • und seit 2025 zusätzlich der European Accessibility Act (EAA) für Teile der Privatwirtschaft.

In Deutschland werden diese Regelungen auf Bundesebene durch die BITV 2.0 und auf Landesebene durch jeweilige Landesverordnungen umgesetzt. Auch der European Accessibility Act, als europäisches Umsetzungsgesetz der UN-Behindertenrechtskonvention, wurde mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) national geregelt.

Junge Frau mit Down-Syndrom arbeitet am Laptop.

Auch Intranets und Extranets sind betroffen

Oft übersehen: Nicht nur öffentlich zugängliche Websites, sondern auch Intranets und Extranets, also interne Portale von Behörden, unterliegen der gesetzlichen Anforderung an Barrierefreiheit. Laut BITV gilt diese Verpflichtung, wenn keine Ausnahme greift.

Doch auch in der Privatwirtschaft, insbesondere bei Großunternehmen und international agierenden Konzernen, spielen barrierefreie Intranets eine zentrale Rolle – vor allem, wenn Unternehmen Menschen mit Behinderung beschäftigen. Viele Firmen erfüllen gesetzlich geforderte Beschäftigungsquoten oder haben sich durch interne Inklusionsprogramme selbst verpflichtet, Diversität zu fördern. Umso kritischer wäre es, wenn zentrale Werkzeuge – etwa das interne HR-Portal, Schulungssysteme oder Zeiterfassungstools – für Teile der Belegschaft nicht nutzbar wären.

Ein funktional eingeschränktes Intranet stellt nicht nur ein organisatorisches Risiko dar, sondern auch ein potenzielles Reputationsproblem, wenn Inklusion im Leitbild steht, in der Praxis aber nicht gelebt wird. Darüber hinaus greifen auch außerhalb des öffentlichen Sektors die Schutzmechanismen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Die 33 Paragrafen des AGG schützen alle Menschen in Deutschland davor, benachteiligt zu werden – etwa aufgrund von Behinderung, Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Identität oder Herkunft. Unternehmen sind also verpflichtet, ihre Arbeitsmittel so zu gestalten, dass sie niemanden ausschließen oder strukturell benachteiligen. Weitere Informationen zu den Pflichten von Arbeitgebern stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bereit.

Ein älterer Mann bedient ein Tablet.

Barrierefreiheit von Apps

Barrierefreiheit endet nicht im Browser – sie ist genauso wichtig für mobile Anwendungen. Apps müssen so gestaltet sein, dass sie auch von Menschen mit Behinderungen ohne Einschränkungen genutzt werden können. Das betrifft sowohl die technische Umsetzung als auch die Gestaltung und Struktur der Inhalte. In der Praxis bedeutet das: Nutzer*innen müssen sich mit Hilfstechnologien wie Screenreadern oder Spracherkennung problemlos durch die App bewegen können. Bedienelemente müssen zugänglich, verständlich und zuverlässig bedienbar sein.

Besonders sinnvoll ist die Umsetzung als native App, denn sowohl iOS als auch Android bieten bereits umfassende Frameworks und Best-Practice-Beispiele für barrierefreie Gestaltung – angefangen bei semantischen Rollen für Steuerelemente bis hin zu systemweiten Bedienungshilfen. Wer sich an diesen etablierten Lösungen orientiert und Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt, reduziert nicht nur den Aufwand, sondern erhöht auch die Nutzbarkeit für alle. Die EN 301 549 widmet sich der Barrierefreiheit von Apps in einem eigenen Kapitel und verweist dabei auf die international anerkannten WCAG als technologische Grundlage.

Eine Person mit Handprothese arbeitet am Laptop.

Eingebundene Drittanbieter-Dienste

In vielen digitalen Angeboten werden heute Dienste Dritter eingebunden – etwa für interaktive Karten, Formulare, Chatbots, Videoplayer oder Analysefunktionen. Technisch werden diese Inhalte häufig über iframe, eingebettete Skripte oder Schnittstellen integriert. Auch wenn diese Komponenten nicht selbst entwickelt wurden, liegt die Verantwortung für ihre Barrierefreiheit beim Betreiber der Gesamtplattform.

Gerade im öffentlichen Bereich ist dies rechtlich relevant: Die barrierefreie Zugänglichkeit muss für das gesamte System gewährleistet sein – unabhängig davon, ob einzelne Bausteine aus externen Quellen stammen. Wenn eingebundene Inhalte nicht zugänglich sind, entsteht eine Barriere im Nutzungskontext, für die der verantwortliche Anbieter haftet. Das gilt sowohl bei der Anzeige auf der Website als auch bei der Nutzung in mobilen Apps oder Onlineformularen.

Seiten-Betreiber müssen sich daher frühzeitig mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Drittanbieterdienst überhaupt barrierefrei integrierbar ist – und wenn nicht, ob es barrierefreie Alternativen gibt. Das schließt auch kommerzielle Lösungen ein, die zwar funktional attraktiv erscheinen, aber den Zugang für bestimmte Nutzergruppen faktisch ausschließen.

Umso wichtiger ist es, schon bei der Auswahl und Beschaffung digitaler Komponenten auf Barrierefreiheit zu achten – nicht nur aus rechtlicher Sicht, sondern auch im Sinne einer inklusiven Nutzererfahrung.

Junger Mann mit Down-Syndrom sitzt mit Kopfhörern am Laptop.

Barrierefreiheit beginnt bei der Beschaffung

Barrierefreiheit ist keine rein technische Frage, die erst in der Entwicklung beginnt – sie muss bereits bei der Planung und Beschaffung mitgedacht werden. Wer Systeme, Dienstleistungen oder Anwendungen extern einkauft oder ausschreibt, trägt auch Verantwortung für deren spätere Zugänglichkeit. Das betrifft öffentliche Auftraggeber genauso wie privatwirtschaftliche Anbieter, die barrierefreie Produkte oder Services bereitstellen müssen.

Gerade im öffentlichen Sektor ist die Barrierefreiheit im Vergabeverfahren verpflichtend. Wer beispielsweise ein webbasiertes Formularsystem, einen KI-Chatbot oder eine Beschwerdeplattform beauftragt, muss sicherstellen, dass die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit vertraglich definiert und transparent überprüfbar gemacht werden. Das gilt auch für Inhalte wie PDF, Videos oder Audiobeiträge. Barrierefreiheit sollte daher durch einen fest definierten, gesetzlichen Bezugsrahmen abgesichert sein. Darüber hinaus sollten sich ausschreibende Stellen nicht auf Selbsterklärungen verlassen, sondern sich mindestens eine Expertenprüfung inklusive kostenloser Nachbesserung vorbehalten, besonders wenn berechtigte Zweifel an der zugesagten Barrierefreiheit bestehen.

Aufgrund der Relevanz bietet die Überwachungsstelle des Bundes für barrierefreie Informationstechnik (BFIT-Bund) zur Unterstützung eine umfassende Handreichung mit Vorlagen und Textbausteinen für Ausschreibungen an. Diese erleichtert es, Barrierefreiheit von Beginn an systematisch im Beschaffungsprozess zu berücksichtigen – sowohl bei Webanwendungen als auch bei Desktop-Software. Die Handreichung ist online verfügbar unter:

Weitere praktische Hilfestellungen finden sich auch auf der Website barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund. Dort werden methodische Empfehlungen und Umsetzungshilfen bereitgestellt, wie Barrierefreiheit im Projektvorgehen verankert und kontrolliert werden kann – von der Anforderungserhebung über das Testing bis hin zur Abnahme. Nur wenn Barrierefreiheit bereits in der Beschaffung mitgedacht wird, lassen sich digitale Systeme nachhaltig, rechtskonform und zukunftssicher gestalten. Wer sie hingegen nachträglich einfordert, läuft Gefahr, aufwändige Anpassungen oder sogar Neuentwicklungen finanzieren zu müssen – mit negativen Auswirkungen auf Budget, Zeitrahmen und Nutzerzufriedenheit.