Silver Surfer, Senioren im Internet
Die demografische Entwicklung in Europa zeigt deutlich, dass die Alterung unserer Gesellschaft Gegenwart geworden ist. Die These von Aubrey de Grey, theoretischer Biologe und Biogerontologe an der Universität Cambridge, dass im Jahr 2025 geborene Menschen im Durchschnitt 5000 Jahre alt werden könnten, ist zwar in diesem Zusammenhang sicherlich mehr als zweifelhaft, zeigt aber, wohin Gedankenspiele derzeit gehen. Natürlich sind die Ansichten von de Grey äußerst umstritten, und er selbst betrachtet sich selbst auch mehr als Unruhestifter, um Denkprozesse anzustoßen.
Unabhängig von solcherlei spekulativen Zunkunfts-Szenarien ist aber Fakt, dass heutige Prognosen der demografischen Entwicklung, aufgrund ihrer Abhängigkeit von zwei konkreten Bestimmungsfaktoren, eine extrem hohe Genauigkeit ermöglichen. Diese Faktoren sind zum einen die Geburtenrate und zum anderen die Lebenserwartung, die sich im Zeitablauf grundsätzlich nur wenig ändern.
Einer Vorausschätzung des Demografen Professor Birg von der Universität Bielefeld zufolge wird die Bevölkerungszahl in Deutschland von 82,4 Millionen Menschen im Jahr 2000 auf 68 Millionen im Jahr 2050 sinken. Dieser Rückgang hat natürlich in erster Linie mit dem Rückgang der Geburtenrate zu tun. Spannender als der absolute Rückgang der Bevölkerungszahl ist aber die Bevölkerungsalterung. Bis 2050 wird der so genannte Altenquotient, also die Anzahl der mindestens 60-Jährigen, die auf hundert 20- bis 59-Jährige entfallen, von derzeit etwa 45 auf das Doppelte ansteigen. Die Anzahl an Hochbetagten, also die mindestens 80-Jährigen wird von 3,1 Millionen auf 10 Millionen steigen, fast 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Damit macht der Bevölkerungsanteil der mindestens 60-Jährigen einen Anteil von über 40 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Angesichts dieser sich deutlich abzeichnenden Entwicklung, der wachsenden Zahl älterer Menschen in Europa, beziehungsweise Deutschland, wäre es eigentlich zu erwarten, dass die Zahl der Angebote im Internet für ältere Menschen drastisch zunehmen müsste.
Doch ein kürzlich in der PCwelt erschienenen Artikel mit dem Titel "Silver Surfer: Wie Senioren das Internet nutzen" zeichnet ein ganz anderes Bild:
Seit zwei Jahren stagniert die Anzahl deutschsprachiger Portale für über 50-Jährige. Bestehende Angebote kämpfen um die nur leicht steigende Zahl reifer Onliner. Besonders beliebt sind Seiten mit praktischem Wert, denn Ältere sehen im Internet mehr ein Nutzmedium als ein Unterhaltungsmedium. Einkaufen, Reisebuchungen und E-Mail-Austausch sind (...) die Hauptinteressen der über 50-Jährigen beim Surfen im Internet. (...) Frauen kaufen gerne Lebensmittel online ein, besonders schwere Dinge wie Getränke. Zu den Lieblingsseiten (...) zählen auch die Seiten der Verkehrsbetriebe mit ihren Fahrplänen und die Seiten großer Reiseveranstalter. Neben dem praktischen Nutzen ist es für Ältere am wichtigsten, dass die Seiten ruhig und übersichtlich gestaltet sind (...). Es verwirrt die Leute, wenn es überall blinkt und Fenster aufspringen. Viele (...) machen Überweisungen online, weil Bankgebühren gestiegen sind und immer mehr Filialen schließen.
Trotzdem zeigt eine aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts Forsa, dass das Internet vielen älteren Menschen noch immer recht fremd ist. Insgesamt steige der Anteil der Zielgruppe 50plus im Internet langsamer, als der Anteil der Internetnutzer im restlichen Teil der Bevölkerung. Zur Zeit sind der Studie zufolge nur etwa 25 Prozent der über 50-Jährigen online.
Dabei ist das Internet laut Alternsforscher Doh auch für betagte Menschen interessant. Der Online-Einkauf könne zur Erhaltung der Selbstständigkeit im eigenen Haushalt beitragen, das Internet sei ein kostengünstiges Informationsmedium, und es biete die Möglichkeit, trotz körperlicher Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Aber auch, wenn diese Entwicklung nur langsam vonstatten geht, wird sie mittel- bis langfristig nicht aufzuhalten sein. Und mit steigender Zahl der Silversufer wird sich auch das Angebot im Internet stetig dieser Entwicklung anpassen und anpassen müssen. Insbesonder Versandhändler, Reiseanbieter, Banken und Versicherungen, Pharmafirmen, städtische Einrichtungen, sowie Dienstleister, wie Verkehrsbetriebe oder Stadtwerke werden diese wachsende und kaufkräftige Zielgruppe immer stärker berücksichtigen müssen. Zwangsläufig wird diese Entwicklung das Bild des Internet beeinflussen und Barrierefreiheit zu einem Qualitätssiegel und Wettbewerbsvorteil machen.
Gespannt sein darf man darauf, wann Silversufer die Schwelle vom Konsumenten zu Produzenten überschreiten, sprich ihr eigenes Internet produzieren. Denn wenn im Jahre 2050 fast die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland und Europa über 60 Jahre alt ist, dürften Silversufer auch an der Gestaltung des Internet partizipieren wollen. Was heute schon in der Wirtschaft die Wirtschaftssenioren sind, sind in Zukunft vielleicht die Multimedia-Senioren. Das mag heute vielleicht noch sehr unwahrscheinlich klingen, aber es ist ja auch noch ein bisschen Zeit.
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