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Ganz aktuell: tagesschau.de und heute.de barrierefrei

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Wenn wir vor einigen Wochen schon von einem Elefantengipfel der Barrierefreiheit sprachen, dann ist unser heutiger Vergleich gleich ein Mammut-Gipfeltreffen. Die Websites könnten mächtiger nicht sein: das eine ist der Online-Ableger der meistgesehenen deutschen Nachrichtensendung, sprich der Tagesschau. Dem gegenüber steht das Pendant des ZDF, immerhin die zweitbeliebteste News-Sendung im deutschen Fernsehen, also die Online-Ausgabe der heute-Nachrichten.

Gemeinsamkeiten & Unterschiede

Die Gemeinsamkeiten bestehen nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sprich bei den Nachrichten, sondern auch hinsichtlich der technischen Umsetzung. Beide Seiten setzen auf maximale Skalierbarkeit. Die volle Breite des Monitors wird ausgenutzt und zwar auf mehr oder weniger radikale Art und Weise. Doch dazu mehr, wenn es um den Einsatz von JavaScript geht.

Beide Seiten sind - ob sie es nun explizit kommunizieren oder nicht - auf Barrierefreiheit ausgerichtet. Dazu gehören lokale Sprungmarken am Beginn des Dokuments ebenso, wie der Verzicht auf Layout-Tabellen und die standardkonforme Programmierung in den meisten Fällen.

Unterschiede gibt es aber jeweils im Detail: bei heute.de brüstet man sich mit Barrierefreiheit und reklamiert eine WAI Triple-A Konformität, also die höchstmögliche Barrierefreiheit, für sich. Die Tagesschau hält es da gedeckter und spricht von einem "möglichst barrierefreien" Design. Warum diese Aussage aber auf einer ungestalteten Seite und nur für Quelltext-Sucher auffindbar (sprich zugänglich) ist, können wohl nur die Macher beantworten.

A propos Quelltext-Sucher: Ausreden bei der Technik sind kaum angebracht. Beide Seiten nutzen mit Vignette das gleiche Content Management System. Wie barrierefrei ist eine mit Vignette realisierte Lösung? Im Fall von heute.de ist die aktuellste Version Vignette V5 im Einsatz, bei tagesschau.de scheint eine ältere Versionsnummer im Einsatz zu sein. Welche Seite ist nun ärmer an Barrieren? Gibt es Hürden und wenn ja, welche? Schauen wir also genauer hin.

Schrift, Skalierbarkeit & Standards

Beide Websites sind nicht nur auf der Startseite, sondern auch auf den Unterseiten standardkonform. Der ein oder andere Fehler schleicht sich ein. So hatten wir beim Test von heute.de zeitweilig einen nicht geschlossenen Kommentar von Vignette V5 und den Laufzeitdaten oder manchmal auch nicht kompilierten Quellcode. Zeitweilig lief die Seite dann aber auch wieder fehlerfrei - ein Portal mit vielen Aktualisierungen eben.

Nicht zu entschuldigen sind die vielen Fehler im CSS-Bereich, mit denen man auf der Tagesschau-Seite konfrontiert wird. Auch unschön: Über www.heute.de gelangt man auf eine Seite, die eine JavaScript-Weiterleitung enhält - glücklicherweise gibt es aber auch ein Fallback, falls JavaScript deaktiviert ist.

Die Schrift auf den Seiten der Tagesschau ist vorbildlich skalierbar. Hier schwächelt heute.de und offenbart zudem schlechte Lesbarkeit beim Suchformular und ein Durcheinander der Schriftgrößen-Definitionen im Stylesheet. Nicht nur das: eine Druckversion wird ebenfalls nicht angeboten, weder per Stylesheet, noch als HTML-Variante. Das ist besonders dann schlecht, wenn man Inhalte nicht online lesen möchte und auf ein anderes Medium ausweichen will. Hier ist die Tagesschau deutlich besser, allerdings auch je nach Browser etwas verschwenderisch mit dem Papier, da die erste Seite fast leer bedruckt wird, wie in unserem Test mit Firefox.

Skalierbar sind beide Seiten. Dabei benutzt heute.de leider JavaScript zur Abfrage der Bildschirmbreite, um entsprechend angepasste Stylesheets auszuliefern. Schaltet man JavaScript ab, bleibt ein sichtbarer Bereich von 1024 auf 768 Pixel - ohne horizontale Scrollbalken. Insgesamt zeigt sich die Seite der Tagesschau hinsichtlich der Skalierbarkeit besser zu handhaben, vor allem im Internet Explorer. Hier verschwindet bei maximaler Vergrößerung der heute.de Website die rechte Spalte aus dem sichtbaren Bereich (Viewport) und entzieht sich somit der Wahrnehmung. Positiv bei heute.de ist die Technik des "Liquid Layouts", einer Technik, bei der nicht nur Schrift, sondern auch Grafik vergrößert wird. Leider aber auf Kosten der Lesbarkeit, wie im Test zu sehen ist.

Grafiken, JavaScript & Multimedia

Kräftig geschummelt wird bei heute.de mit Alternativtexten für Grafiken. Zumeist wird ein title-Attribut vergeben, dass entweder den Text der Überschrift enthält, oder aber einen kurzen Bezug zum Text herstellt. Beschreibende Alternativ-Texte sind hier in den meisten Fällen Fehlanzeige, sprich: es werden leere alt-Attribute verwendet. Nicht viel besser, aber immerhin etwas stringenter, zeigt sich die Website der Tagesschau. Auch hier werden aussagekräftige Alternativtexte vermisst, auch hier die automatische Zuweisung der entsprechenden Überschrift zum Bild: Aktionismus und Automatismus gleichermaßen. Mit fragwürdigem Ergebnis für all jene Nutzer, die hierauf angewiesen sind.

A propos Grafik: die grafische Navigation von tagesschau.de stört uns natürlich gewaltig. Hier fühlen wir uns an das Abschneiden des NDR erinnert. Daher wissen wir auch, dass es ein Politikum ist und kein Versäumnis der Agentur. Trotz allem gibt es hierfür natürlich Abzüge hinsichtlich der Skalierbarkeit.

Beide Websites funktionieren auch ohne JavaScript, allerdings nicht gänzlich fehlerfrei. Vor allem die Wiedergabe von Medien, aber auch die Funktionen zur Erkennung der Bildschirmgröße funktionieren auf der Website von heute.de nicht immer einwandfrei bzw. im Falle der Video-Wiedergabe gar nicht. Deutlich besser zeigt sich hier das Konzept von tagesschau.de: ist JavaScript nicht aktiviert, kann man die Medienwiedergabe in einem externen Programm aufrufen. Zudem ist man mehr auf den Benutzer fokussiert und bietet verschiedene Formate für unterschiedliche Bandbreiten an. Leider gibt es auf beiden Websites keine Transkriptionen der angebotenen Media-Formate. Bei der heute.de Website wäre das mit Gebärdensprache versehene Format des heute-journals, wie es auf Phoenix gesendet wird, sicherlich eine bessere, zumindest aber eine zusätzliche Alternative.

Gut gelöst wurde die Flash-Uhr auf der heute.de-Website. Mit einer Fallback-Lösung bleibt das Layout auch ohne das erforderliche Plugin erhalten, allerdings fehlt dann die schöne Animation der Analog-Uhr, wie sie vor den heute-Nachrichten stets eingeblendet wird.

Sprache & Usability

Gut gelöst wurde das Kapitel rund um die Sprache von keiner der beiden Seiten. Angefangen bei Navigationspunkten, bis hin zur Auszeichnung von Abkürzungen und Akronymen, wurden zwar Ansätze realisiert, aber mehr auch nicht. Schade, dass zwar einzelne Lösungen im Detail überzeugen können, wie beispielsweise die Darstellung und Auszeichnung der Börsenkurse bei tagesschau.de, die gänzlich ohne Tabellen auskommt, dafür aber das Gesamtbild verloren geht. Sprachwechsel werden auf heute.de gar nicht und bei der Tagesschau nur ansatzweise ausgezeichnet, leider auch nicht immer unter Berücksichtigung des XHTML-Standards. Einfache Sprache möchten wir beiden Seiten weder raten, noch attestieren, auch wenn einzelne Nörgler hier sicherlich anderer Meinung sein werden.

Übersichtlicher in Punkto Benutzerführung präsentiert sich die Seite der Tagesschau, was vor allem an der größeren Schrift liegt und dem aufgeräumteren Layout. Allerdings leidet die Lesbarkeit der Seite unter zum Teil schwachen Kontrasten - hier schneidet die heute.de Website deutlich besser ab. Die Suchfunktion von heute.de bietet zwar eine erweiterte Suchmöglichkeit, war aber während des gesamten Tests unbenutzbar und lieferte stets Fehlerseiten zurück. Bei tagesschau.de sucht man eine erweiterte Suche vergeblich und die Relevanz des Suchergebnisses wird optisch zwar richtig ausgegeben, im Alternativtext steht jedoch stets der gleiche Wert.

Fazit

Es geht nicht darum, einen Gewinner für Barrierefreiheit zu ermitteln. Beide Seiten zeigen, dass anspruchsvolle Portale ohne Tabellen-Layouts realisierbar sind. Und noch etwas zeigt der Vergleich: XHTML und CSS gehört die Zukunft. Frei von Barrieren ist keine der beiden getesteten Websites. Das liegt mit Sicherheit auch an dem zugrundeliegenden Content Management System, wobei viele Details darauf hindeuten, dass es hier durchaus Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und zur individuellen Anpassung gibt. Schwächen leisten sich beide News-Portale, vor allem dann, wenn es um Sprache und Usability geht. Etwas moderner und stylisher kommt heute.de daher, etwas konservativer die Online-Ausgabe der Tagesschau. Ganz so, wie im Fernsehen.

Gewinner gibt es dennoch. Wir gewinnen die Erkenntnis, dass es zunehmend mehr gute Beispiele für Barrierefreies Internet in Deutschland gibt. Best Practice möchten wir an dieser Stelle nicht sagen, auch wenn es Details in beiden Seiten gibt, die diesen Begriff rechtfertigen würden - aber auch wirklich nur die Details. Die wahren Gewinner sind die Benutzer. Denn schnell, schlank und wesentlich zugänglicher sind beide Portale. Da können auch wir nicht anders, als den moralischen Zeigefinger nur leicht zu erheben und zu sagen: Man könnte es besser machen. Sollte es erneut einen BIENE-Award geben, dann sind beide Kandidaten sicherlich heiße Aspiranten für die Kategorie Medien. Zumindest dann, wenn man sich weiterentwickelt und die Qualität verbessert. Kurzum: wenn man barrierefrei wird. 

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