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Barrierefrei? Fast einwandfrei!

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Nun liegt Sie also vor. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zum "Stand der technologischen Entwicklung im Bereich barrierefreier Informationstechnik" (Bundestags-Drucksache 15/2493). Fazit: Alles im grünen Bereich.

Was bisher geschah?

Beflügelt durch das US-amerikanische Vorbild führt eine ausdauernde Lobby- und Kampagnentätigkeit von Behinderten- und Betroffeneninitiativen zur Ergänzung des Artikel 3 Grundgesetz. Das Diskriminierungsverbot hat seit Mai 1994 auch für Menschen mit Behinderungen Verfassungsrang. Doch erst mit der Entrümpelung der Sozialgesetzgebung (SGB IX) und der Verabschiedung eines Behindertengleichstellungsgesetzes (Mai 2002) gewinnt das Thema auch konkrete Bedeutung im Arbeits- und Alltagsleben.

Maßgeblich für "Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen" (§ 4 BGG) ist seit Mitte 2002 die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. Kurz: Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung Noch kürzer: BITV. Diese enthält ein Sammelsurium von technischen Anforderungen mit Interpretationsspielraum, die umgangssprachlich und nicht ganz sachgemäß als "Standards" bezeichnet werden. Dank deren Umsetzung sollen auch Menschen mit Behinderungen bis spätestens Ende 2005 sagen dürfen: "Ich lebe Online". Zumindest im behördlich verantworteten Cyberspace.

Längst pitchen große Web-Agenturen und die Anbieter von mächtigen Content-Management-Systemen um Staatsknete. Gralshüter der reinen Lehre diskutieren esoterische Spezialfälle oder fordern einen "elektronischen Pranger" für technische Non-Konformisten. Auf offener Bühne werden barrierefreie Wettbewerbe ausgelobt. Während hinter den Kulissen erbittert um die Vorherrschaft von Testverfahren und elektronischen Prüfwerkzeugen gerungen wird. Rotzfreche PR-Profis erfinden die potemkinsche Barrierefreiheit. Mit Spannung erwartet: Das erste halbamtliche Barrierefrei-Siegel. Diskussionen über assistive Technologien werden künftig wahrscheinlich bei der Stiftung Warentest fortgesetzt. Und in naher Zukunft werden Gebietskörperschaften die Barrierefreiheit föderativ verunübersichtlichen, während die Kämmerer auf guten Willen aber leere Kassen verweisen.

Kurzum. Was als behindertenpolitische Vision und emanzipatorisches Projekt begann, ist in der Realität von Partikularinteressen, Gremienarbeit und Gewinnstreben angekommen. In der Normalität also.

Was die Opposition wissen wollte?

Die Kleine Anfrage, initiiert von Hubert Hüppe, dem behindertenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion lässt sich auf drei Kernpunkte zusammenfassen.

  1. Was ist der Stand der BITV-Umsetzung im behördlichen Bereich?

  2. Gibt es Anzeichen für eine positive Beeinflussung des Privatsektors bezüglich der BITV-Umsetzung?

  3. Die etwas naive Frage, wie die Bundesregierung die bisherigen Ergebnisse ihrer Bemühungen beurteile? Wie zu erwarten gibt es deutliche Fortschritte, allerdings muss der Prozess weiterhin unterstützt werden.

Wie die Bundesregierung antwortet.

Auch die Antwort der Bundesregierung lässt sich auf einige Kernpunkte reduzieren: Alles ist auf gutem Wege. Es gibt Arbeitsgruppen, Schulungen, Mustervertragstexte, erste positive Signale, die Hoffnung auf einen einsichtigen Privatsektor und so fort. Wenig Konkretes. Als hätte es den teueren Flop der Arbeitsagentur und das peinliche, digitale Handbuch der Integrationsbeauftragten nicht gegeben. Interessant wäre die tatsächliche Zahl der Bundesbehörden gewesen, die ihre Internetauftritte schon umgestaltet haben, dabei sind oder noch gar nicht angefangen haben. In der Summe dürften dies ein paar Hundert sein. Ob hier die genannten Maßnahmen "drei Seminare" und "zwei Schulungen speziell für Bundesbehörden" genügen? Ergänzt um angebotene "Events, Schulungen, Tests und Beratungen" sowie ein Modul "barrierefreies E-Government" und eine Schriftenreihe des Bundesverwaltungsamts?

Bei vielen der genannten Veranstaltungen gebe es interessierte Zaungäste aus der Privatwirtschaft. Im übrigen hätten 170 Einreichungen beim BIENE-Award ja gezeigt, dass gewerbsmäßige Anbieter ein "deutliches" Interesse an barrierefreien Internetangeboten haben. (Kleine Nachfrage: Wieso ist eigentlich kein einziger kommerzieller Beitrag nominiert worden?)

Vielleicht sollte man ohnehin das parlamentarische Instrument der Kleinen Nach-Frage einführen? Also etwa den politologischen Klassiker, wer die Kontrolleure kontrolliert. Findet es niemand bedenklich, dass der Bund seine eigenen Berater und Tester alimentiert? Oder dass ein Verband, der öffentliche Mittel erhält, sich eventuell schwer tut, den Zuwendungsgeber mit einer Verbandsklage zu behelligen?

Die übrigen kleinen An-Fragen berühren nachvollziehbare BITV-nahe Themen, die aber nicht von der Verordnung adressiert werden und damit leicht beantwortet werden können. Im Grundsatz seien die Regelungen von BGG und BITV ausreichend. Sie müssten nicht ergänzt werden. Ein Vergleich mit vermeintlich fortschrittlicheren Regelungen in anderen Staaten erübrige sich somit. Auf alle arbeitsrechtlichen Fragen hat das SGB IX schon eine Antwort. Die Umsetzung von Ländergleichstellungsgesetzen ist Ländersache (Warum eigentlich?). Eine Harmonisierungsverstanstaltung sei im Frühjahr 2004 geplant (Der Termin steht inzwischen fest: 31. März in Berlin). Die Frage der Content-Management-Systeme habe man im Blick, die der digitalen Signatur ist derzeit nicht barrierefrei lösbar.

Fortsetzung folgt?

Bleibt das Thema e-Health, auf das die Kleine Anfrage dankenswerterweise eingeht. Hier geht es um Fragen zur Barrierefreiheit im Kontext der Gesundheitsreform, wie etwa die so genannte Vermittlungsqualität von Gesundheitsinformationen im Internet oder dem anstehenden Großprojekt, der "elektronischen Gesundheitskarte". Eine "Telematikarchitektur und -infrastruktur" von pharaonischem Ausmaß, die wahrscheinlich noch das Vorhaben Toll Collect übertreffen wird. Ob der halbstaatliche Dienstleister T-Systems dieses Projekt - wie geplant - bis 2006 umsetzen kann, wird inzwischen durchaus kritisch gesehen, hat aber nix mehr mit der BITV zu tun.

Doch auch hier sind die nächsten Themen und Fragen schon vorgegeben:

Welche Sanktions- und Appellationsmöglichkeiten hat der betroffene Bürger bei nicht verordnungsgemässer Umsetzung der BITV? Sollte es einen Ombudsmann für Barrierefreiheit geben? Welche Chancen und Konsequenzen hätte das aktuell diskutierte zivilrechtliche Anti-Diskriminierungsgesetz für die digitalen Belange von Menschen mit Behinderungen? Anders gefragt: Könnten Banken oder Reiseanbieter künftig verklagt werden, wenn sie Online-Rabatte oder digitale Sonderkonditionen anbieten, die nicht ohne Einschränkung (also barrierefrei) zugänglich sind? Sollten kommerzielle Anbieter zu mehr Barrierefreiheit aufgefordert oder verpflichtet werden? Wer könnte legitimiert sein, eine Barrierefreiheits-Zertifikat zu vergeben? Was ist mit den kommenden WCAG 2.0? Muss das Gesetz dann schon wieder geändert werden?

In gewisser Weise nimmt die Bundesregierung die Beantwortung dieser Fragen schon vorweg. "Die barrierefreie Gestaltung von Internetseiten ist aufgrund der ständig wechselnden Inhalte kein einmaliger Vorgang, sondern ein fortdauernder Prozess."

Und diese Feststellung ist tatsächlich einwand-frei.

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