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Wenn KI zur Barriere wird: Warum Menschen mit Behinderung vom KI-Wandel besonders betroffen sind

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Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Arbeitswelt tiefgreifend. Nicht nur in Bereichen wie Texterstellung, Programmierung, Kundenkommunikation oder Bilderstellung übernehmen KI-Tools zunehmend Aufgaben, mit denen Menschen über Jahrzehnte ihren Lebensunterhalt verdient haben. Neben aller Begeisterung für das, was KI kann, werden kritische Stimmen lauter. Menschen haben Angst vor einer Welt, in der viele Jobs wegautomatisiert werden. Eine Gruppe, die von dieser Entwicklung besonders betroffen sein könnte, sind Menschen mit Behinderung.

KI wir in diesem Zusammenhang bisher hauptsächlich als Inklusionsmotor gefeiert. Intelligentere Assistenzsysteme, Spracherkennung oder automatische Bildbeschreibungen können Teilhabe im digitalen Raum verbessern – aber das ist nur die halbe Wahrheit. Machen wir uns nichts vor, dieselbe Technologie kann und wird viele der Nischen und Tätigkeitsfelder, über die Menschen mit Behinderung Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, ersetzen.

Vor allem Menschen, die sich über hoch spezialisierte Tätigkeiten, geschützte Beschäftigungen oder inklusive Projekte beruflich entfalten konnten, werden das zu spüren bekommen. Warum? Weil genau diese Tätigkeiten besonders leicht automatisiert werden können. KI macht die zum Teil schlechter bezahlte Arbeit von Menschen mit Behinderung noch billiger – und sie erledigt die Arbeit schneller und rund um die Uhr.

Neurodivergente Spezialisten

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen gezielt Menschen im Autismus-Spektrum eingestellt – etwa als Software-Tester, Datenanalysten oder Experten für Cybersicherheit. Der Grund: Ihre besondere Stärke liegt häufig im Erkennen von Mustern, in der Detailgenauigkeit und in strukturiertem Denken.

Doch genau hier setzen KI-Systeme wie GitHub Copilot oder automatisierte Testing-Tools an – und liefern bereits heute Ergebnisse, die menschliche Arbeitsleistung ersetzen können. Damit schwindet der Wettbewerbsvorteil neurodivergenter Fachkräfte. Projekte wie „Auticon“ oder „Specialisterne“ könnten es künftig schwerer haben, Aufträge zu gewinnen, wenn Unternehmen vergleichbare Leistungen günstiger automatisieren können.

Blinde Menschen in Call-Centern und Back-Offices

Für blinde oder sehbehinderte Menschen bieten Call-Center oder Verwaltungsjobs häufig barrierefreie Beschäftigungsmöglichkeiten. Bildschirmleseprogramme, strukturierte Arbeitsprozesse und sprachbasierte Kommunikation ermöglichen hier echte Teilhabe. Doch KI-gestützte Voicebots, automatische E-Mail-Beantwortung und Chat-Systeme machen diese Rollen zunehmend überflüssig – oft ohne gleichwertige Alternativen für die Betroffenen.

Menschen mit kognitiven Einschränkungen in Routinetätigkeiten

Viele Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwierigkeiten arbeiten in einfachen, repetitiven Jobs: Sortieren, Verpacken, einfache Datenerfassung. Auch diese Aufgaben werden sukzessive automatisiert – sei es durch Roboter, RPA (Robotic Process Automation) oder KI-Systeme. Wenn keine neuen, geeigneten Tätigkeiten geschaffen werden, kann diese Entwicklung fatale sozial Folgen haben.

Auch klassische Branchen sind betroffen

Um die Tragweite der Entwicklung zu verstehen, sollte man sich vor Augen halten, dass die meisten Behinderungen nicht sofort ersichtlich sind. Auch in vielen klassischen Berufen erledigen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen viele Aufgaben, die schon jetzt von KI übernommen wird.

Buchhaltung & Verwaltung

  • Typische Aufgaben: Rechnungsprüfung, Datenübertragung, Kontenabgleich, Formularbearbeitung.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit Sehbehinderung, Autismus, Mobilitätseinschränkungen (häufig als Bürofachkräfte).
  • KI-Auswirkung: Tools wie DATEV KI, DocuWare oder SAP Business AI automatisieren diese Prozesse.
  • Risiko: Wegfall von Backoffice-Jobs, gerade in Werkstätten oder Inklusionsbetrieben.

Einzelhandel & Kassentätigkeiten

  • Typische Aufgaben: Kassieren, Lagertätigkeit, einfache Kundenhilfe.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder körperlicher Behinderung.
  • KI-Auswirkung: Self-Checkout-Kassen, KI-gestützte Inventarsysteme, kassenlose Stores (z. B. Amazon Go).
  • Risiko: Weniger niedrigschwellige Beschäftigungsmöglichkeiten im Einzelhandel.

Logistik & Lagerhaltung

  • Typische Aufgaben: Paketsortierung, Lagerbestand prüfen, Kommissionierung.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit Lernschwierigkeiten, Autismus oder körperlichen Einschränkungen.
  • KI-Auswirkung: Vollautomatisierte Lagersysteme (z. B. Ocado, Zalando), Roboterarme, KI-gesteuerte Fördertechnik.
  • Risiko: Automatisierung ersetzt einfache manuelle Tätigkeiten – auch in Werkstätten und Integrationsfirmen.

Gastronomie & Systemgastronomie

  • Typische Aufgaben: Bedienung, Spülen, Küchenhilfe.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychischen Erkrankungen (z. B. in Inklusionscafés).
  • KI-Auswirkung: Roboter-Küchenhelfer (z. B. Flippy für Burger), Bestell-Kioske mit KI, automatische Spülstraßen.
  • Risiko: Geringqualifizierte Tätigkeiten in der Küche oder im Service entfallen zunehmend.

Gesundheitswesen & Pflege

  • Typische Aufgaben: Dokumentation, einfache Pflegetätigkeiten, Besuchsdienste.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit körperlichen Einschränkungen (z. B. im Pflegemanagement) oder mit psychischen Erkrankungen (in begleitenden sozialen Diensten).
  • KI-Auswirkung: Automatisierte Dokumentation, KI-Diagnostik, Robotik in der Grundpflege.
  • Risiko: Standardisierbare Tätigkeiten werden automatisiert – persönliche Nischen gehen verloren.

Bildung & Lehre (assistierend)

  • Typische Aufgaben: Unterstützung bei Nachhilfe, Lernhilfe, einfache Korrekturarbeiten.
  • Eingesetzt bei: Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Autismus (in spezialisierten Bildungskontexten).
  • KI-Auswirkung: Adaptive Lernsysteme, KI-Tutorien, automatische Auswertung von Schülerleistungen.
  • Risiko: Reduktion der Nachfrage nach unterstützendem Personal

Was wegfällt, ist oft schwer ersetzbar

Menschen mit Behinderung haben nicht dieselben Umschulungs- und Anpassungsmöglichkeiten wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sei es wegen körperlicher Einschränkungen, chronischer Erkrankungen, psychischer Belastungen oder fehlender inklusiver Bildungssysteme – für viele ist der Wechsel in ein neues Berufsfeld keine realistische Option. Damit wird jede wegfallende Tätigkeit nicht nur ein Jobverlust, sondern potenziell ein dauerhafter Ausschluss vom Arbeitsleben.

Was jetzt zu tun ist: KI inklusiv gestalten

KI muss nicht automatisch Barrieren aufbauen – im Gegenteil. Aber dafür braucht es bewusste Gestaltung, soziale Verantwortung und politische Regulierung. Der technologische Fortschritt darf nicht zu einem Rückschritt in Sachen Inklusion werden. Konkrete Maßnahmen können sein:

  • KI als Assistenz, nicht als Ersatz konzipieren.
  • Zugang zu Schulungen und Tools für Menschen mit Behinderung schaffen – barrierefrei und inklusiv.
  • Inklusion als Teil von KI-Ethik und Regulierungsdebatten etablieren.
  • Spezialisierte Beschäftigungsmodelle fördern, auch in der digitalen Transformation.

Die Debatte um KI und Arbeit muss dringend differenzierter geführt werden. Wer über Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit spricht, muss auch über soziale Teilhabe und Inklusion reden. KI kann Menschen das Leben leichter machen, aber KI darf nicht das Gegenteil tun. Vor allem darf KI nicht das Rad zurückdrehen und bisher Erreichtes wieder zerstören. Menschen mit Behinderung brauchen Perspektiven, Sicherheit und besonderen Schutz in einer von KI geprägten Arbeitswelt. Man sollte sich von Intelligenten Assistenzsystemen, Spracherkennung oder automatischer Bildbeschreibungen nicht blenden lassen. Menschen mit Behinderung werden den KI-Wandel in der Arbeitswelt besonders zu spüren bekommen – wenn die Politik nicht reguliere

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