Diese Sprache versteht keiner. Ob Personenvereinzelungsanlagen (Drehkreuz) oder Raufutter verzehrende Großvieheinheiten (Kuh) der Kampf gegen sinnloses und völlig unverständliches Amtsdeutsch ist überfällig. Wissenschaftler der Ruhr-Universität haben diesen Kampf schon vor drei Jahren begonnen, sie wollen Städten und Kommunen helfen, Wort-Ungeheuer zu vermeiden, beziehungsweise eine verständliche und bürgernahe Sprache zu etablieren. Hauptargument gegen eine Änderung der eingebürgerten Amtssprache war bislang das Problem der Rechtsverbindlichkeit. Das soll aber jetzt der Vergangenheit angehören, wenn es nach Mitarbeitern des Projekts IDEMA (Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache) am Fachbereich für Angewandte Sprachforschung der Ruhr-Universität Bochum geht. Sie überarbeiten Texte von Behörden, machen sie lesbar, verständlich und freundlich, ohne ihren Sinn oder ihre Rechtsverbindlichkeit zu gefährden.

Die Ergebnisse der bisherigen Arbeit präsentierte der IDEMA allen Interessierten am 14. August 2008 bei der Tagung "Amtsdeutsch a. D.?" im Hotel Park Inn in Bochum. Am 15. August 2008 tauschten sich die Bochumer Forscher dann mit Kollegen aus ganz Europa aus, die ebenfalls dem sprachlichen Amtsschimmel den Kampf angesagt haben. In der Tat ist die entfremdete Amtssprache kein rein deutsches Phänomen, auch wenn manch einer das gerne annimmt.

Frankreich zum Beispiel hat für die Verwaltungskräfte ein elektronisches Schreibtraining entwickelt, und in den Niederlanden gibt es einen Erlass, dass Schreiben vom Amt verständlich sein müssen. 

Das IDEMA-Team zieht seit Jahren gegen Restmüllbehältervolumenerhöhung, raumübergreifendes Großgrün (Baum) und Lebensberechtigungsbescheinigung zu Felde. Inzwischen machen 22 Kommunalverwaltungen aus sieben Bundesländern sowie die Bundesverwaltung mit (Allerdings wurden auch 700 große Kommunen für das Projekt angeschriebenen). Zusammen mit den Mitarbeitern der Verwaltungen übersetzen die Sprachexperten schwierige Begriffe, formulieren komplizierte Passagen um und machen ganze Texte verständlicher, freundlicher und geschlechtergerecht. Ihre Ergebnisse sammeln sie in einem lernenden Online-Wörterbuch, so dass alle Projektteilnehmer auch von der Arbeit der anderen profitieren können. So lohnt sich die Arbeit doppelt, denn viele Textmodule sind gleich oder ähnlich in vielen Verwaltungen.

Auch die Stadt Wesel, die bei der Umstellung auf Barrierefreiheit vom KRZN und der düsseldorfer Agentur anatom5 betreut wird, nimmt seit längerem an dem Bochumer Projekt teil. Am häufigsten betroffen sind dort Formulare der Behörden, die am meisten mit den Bürgern zu tun haben, wie der Bau- und der Ordnungsbereich. Aber auch hier müssen die Texte immer juristisch korrekt sein, wenn dies gewährleistet ist, lässt sich mit einfacher Sprache sogar Geld sparen. Eine einfachere Sprache zum Beispiel in Formularen und Anschreiben beschert weniger Rückfragen und Missverständnisse, was sich wiederum in geringerem Bearbeitungsaufwand und sogar geringerem Zahlungsverzug und Mahnungen bemerkbar macht. Auch für das Thema Barrierefreiheit im Internet ist einfache Sprache nicht zu unterschätzen. Nachfolgende Artikel haben sich in der Vergangenheit bereits mit dem Thema beschäftigt:

• Zertifikat, Barrierefreiheit und einfache Sprache
• Einfache Sprache oder einfach Sprache?!
• Hurraki gegen Wörterbuch für leichte Sprache
• Rezension des Wörterbuchs für leichte Sprache
• Buchtipp: Texten für das Internet
• Deutsche Sprache? Schwere Sprache!
• Kompetenzsimulation

Barrierefreiheit und einfache Sprache hängen sehr eng zusammen. Frei von Fachbegriffen und flott in der Schreibe werden offizielle Texte vom Amt aber vermutlich niemals werden. Letztendlich bleibt eine Verwaltung eine Behörde mit offiziellen Auftrag, der auch immer erkennbar bleiben muss - auch im Internet, wo Kommunlaportale, immer mehr zu einem alles umfassenden Kommunikationskanal heranwachsen. Umso wichtiger ist daher eine Fokussierung auf verständliche Inhalte (inklusive barrierefreier PDF-Dokumente). Weitere Informationen und Hintergründe zum Artikel möchten wir am Schluss dieses Artikels nicht vorenthalten.