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Kölner Philharmonie: Schönheit vergeht, Tugend besteht

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Die Güte von barrierefreien Internetseiten kennt in Deutschland gegenwärtig nur ein Gütesiegel: die BIENE. Im Dezember wird sie wieder an die besten Online-Projekte verliehen, die sich um Barrierefreiheit verdient gemacht haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass wir im letzten Jahr noch Kritik an der Verleihung der BIENE übten, weil nach weitreichender Meinung kein Projekt ausgezeichnet wurde, welches für den Einsatz in der freien Wirtschaft als Best-Practice Beispiel hätte herhalten können, hoffen wir natürlich auf eine erfolgreichere Verleihung in diesem Jahr. Die Kriterien sind deutlich strenger, die Messlatte für Barrierefreiheit noch höher. Das abgelaufene Jahr hat uns wieder viele Internetseiten zum Testen beschert. Über 300 Barriere-Checks zeigten uns, dass zwar immer noch vieles im Argen liegt, die Anzahl der Lichtblicke unter den barrierefreien Internetseiten hat jedoch wiederum zugenommen.

Ausgezeichnete Gestaltung 

Eine weitere wichtige Auszeichnung findet ebenfalls im Dezember statt: Der Red-Dot Design Award. Als eine der zehn bedeutendsten Design-Auszeichnungen weltweit nimmt dieser Preis eine wichtige Rolle bei der Kommunikation von prämierten Design-Projekten ein. Die Jury-Entscheidungen für den Red-Dot Design Award fallen bereits viel früher, denn schon Ende Juli werden die Gewinner der verschiedenen Kategorien informiert. So auch in diesem Jahr die Seite der Kölner Philharmonie, die eine der begehrten Auszeichnungen für ihre neugestaltete Internetpräsenz einstreichen konnte. Doch die Auszeichnung der Kölner Philharmonie hat etwas Besonderes, zumindest vermittelt die Pressemeldung vom 23.07.2004 auf der Internetseite diesen Eindruck:

Die barrierefreie Seite ermöglicht allen Nutzern, Schriftgrößen und Farbeinstellungen der Seiten individuell ihren Bedürfnissen anzupassen und damit die zahlreichen Angebote der Seite besonders komfortabel zu nutzen. Darüber hinaus eröffnet sie auch Musikbegeisterten mit stark verminderter Sehkraft und Mobilität die Möglichkeit, sich im Internet über die Philharmonie zu informieren: Mit einem entsprechend ausgerüsteten Computer wird ihnen die Seite problemlos vorgelesen und alle Funktionen sind auch ohne Maus nutzbar.

Barrierefreiheit & Design: Musik in unseren Ohren 

Gute Gestaltung und Zugänglichkeit sind nicht leicht zu realisieren. Um so mehr erstaunte uns natürlich die Auszeichnung der Kölner Philharmonie, die laut eigener Aussage seit dem vierten Juni barrierefrei im Internet sind, mit dem Red-Dot Design Award. Nehmen wir uns die Instrumente doch einmal einzeln vor und schauen, ob sie gemeinsam ein barrierefreies Konzert der Extraklasse abliefern. Beginnen wir wie gewohnt mit der Validität. Statt leichter Misstöne wirkt es eher so, als wenn ein Schrammel-Orchester aufspielen würde: HTML und CSS validieren nicht. Ein Blick in den Quelltext der Seite zeigt zudem, dass XHTML in einem HTML Doctype verwendet wird. Das ist nicht im Sinne der Erfinder und führt zu ersten Abzügen. Nicht unerwähnt bleiben sollten dabei auch einige Stilblüten, wie unfreiwillig selbst definierte Tags à la "Skip Navigation" und "p /" ... hier sei noch einmal ein Blick in die Liste der gültigen HTML-Befehle von Stefan Münz empfohlen. Bilder werden größtenteils ausgezeichnet, aber zuweilen auch mit leeren Alternativ-Texten bestückt, was insbesondere bei wichtigen grafischen Elementen, wie dem Logo, sehr unschön wirkt und nicht den Intentionen der WCAG entspricht. Sprachwechsel, Abkürzungen und Akronyme werden leider nicht ausgezeichnet, so dass neueste Screenreader - wie beispielsweise Jaws 5.0 - nicht von den Möglichkeiten profitieren können, die barrierefreies Internet den Nutzern bietet. Zudem ist die Forderung, Sprachwechsel und Abkürzungen auszuzeichnen wiederum ein wichtiger Bestandteil der BITV und somit letztlich auch der WCAG. Das Urteil eines blinden Nutzers auf den Seiten von KOM-IN Netzwerk in Köln fällt daher auch nicht gänzlich positiv aus und lobt lediglich die Hilfe-Seite, die sich jedoch gut versteckt hält:

Unter Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Besucher findet man eine wirklich bemerkenswerte Orientierungshilfe für uns, wirklich eine sehr gute Beschreibung. Aber insgesamt ist die Seite durch immer wiederkehrende neue Auswahlkriterien sehr umständlich. 

Noch besser versteckt präsentiert sich eine Seite mit weiterführenden Informationen zur Barrierefreiheit und damit verbunden auch ein Flash-Film, der eine "Demonstration der auditiven Navigation mit Hilfe eines Screenreaders" zeigen soll. Eine nette Idee, deren Sinn und Zweck sich uns nicht erschließen wollte. Menschen, die auf einen Screenreader angewiesen sind, wissen ohnehin, welche Vorteile dieser bietet. Zudem kommt dieser Personenkreis ohne Screenreader gar nicht erst in den Genuß des Flash-Films. Für andere Personenkreise ist die Demonstration vielleicht besser geeignet, nur halt eben nicht im letzten Winkel der Seite, gänzlich versteckt. Für uns waren die Informationen nicht ausreichend, denn Neues haben wir über Screenreader an dieser Stelle nicht gelernt.

Getrennt und doch vereint: Inhalt und Design 

Viele kleine Details trüben den werbewirksamen Eindruck, den der Gewinn des Red-Dot Design Awards zunächst hervorgerufen hat. Zumindest in Bezug auf die Barrierefreiheit. Dazu gehört auch die missglückte Trennung von Inhalt und Design mit Hilfe von CSS. Inline-Styles mögen zuweilen den ein oder anderen Trick ermöglichen, damit das Layout auch in älteren Browsern funktioniert, allerdings ist es keine schöne Lösung und ohnehin funktioniert eine solche CSS-Seite in keinem bekannten 4er-Browser - das ist ein Faktum, mit dem man sich in der Accessibility-Gemeinde seit langem angefreundet hat, denn eine Optimierung für Netscape 4.x ist nicht mehr zeitgemäß, da der Browser an sich nicht mehr auf der Höhe des Geschehens ist. Warum wurde also für die Kölner Philharmonie extra eine Netscape-Optimierung versucht, die am Ende nicht funktioniert (siehe Abbildung)? Barrierefrei ist es dann, wenn der Inhalt auf allen Ausgabegeräten funktioniert - das Design muss nicht überall lauffähig sein. Noch nicht.

Für die Seiten der Kölner Philharmonie hat man sich zumindest Mühe gegeben, die Möglichkeiten von CSS weitestgehend zu nutzen. So gibt es die Möglichkeit, die Darstellung der Seite zu ändern: Schwarze Schrift auf weißem Hintergrund, weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund sowie Kontraste und Schriftgrößen lassen sich über ein eigenes Menü anpassen. Schade nur, dass auch hier zu kurz gegriffen wurde und lediglich Texte schwarz-weiß gezeigt werden. Der Internet Explorer kann hier mit Hilfe von CSS-Filtern deutlich bessere Resultate erzielen. Zudem wird man auf eine andere Seite umgeleitet, sobald man die Darstellungsoptionen ändert - man verliert also den Inhalt der gegenwärtigen Seite aus den Augen. Schlecht, wenn man sich nicht gemerkt hat, wo man gerade war. Warum es wieder einmal keine vernünftige Druckansicht der Seite gibt, bleibt wohl das Geheimnis der verantwortlichen Agentur. Diese könnte unter Umständen noch ein wenig Schuld auf eine Schülergruppe des Berufsförderungswerkes Düren abwälzen, die das Projekt mit Tests und Erfahrungsberichten unterstützt haben.

Ein trauriges Kapitel ist der Kontrast der Seite. Vor allem die Seite "Kartenkauf" ist für Menschen mit einer Farbfehlsichtigkeit nahezu unlesbar, da der Text grün auf grün erscheint oder in anderen Fällen auch rot auf rot. Auch die Schriftgröße ist etwas klein geraten. Gut: beide Optionen lassen sich über die Änderung der Darstellungsoptionen zu Gunsten des Anwenders beeinflussen, allerdings nur mit den oben angesprochenen Mängeln. Bleibt noch als letzte Möglichkeit, CSS ganz auszuschalten - nur ist das nicht in jedem Browser so einfach, wie in Firefox oder Opera und wer will schon immer in die Tiefen des Browsers steigen, um eine Seite überhaupt lesen zu können?

BIENE kontra Red-Dot 

Am Ende kommen wir zu einem eindeutigen Resultat: schick ist die Seite und den Red-Dot Design Award hat sie sich folgerichtig auch verdient. Barrierefrei ist sie hingegen nicht, die Seite der Kölner Philharmonie - höchstens barriere-arm. Das reicht aber nicht für den Praxis-Test, wie auch der Kommentar des sehbehinderten Nutzers aus dem Artikel zeigt. In der Zielgruppe ist die Seite jedenfalls nicht angekommen und das läßt für uns nur einen einzigen Schluß zu: Barrierefreie Internetseiten werden durch den BIENE-Award ausgezeichnet. Deshalb begleiten unsere Hoffnungen die diesjährige Preisverleihung und wir wünschen uns, dass eine gut gestaltete Seite gewinnt und der Accessibility-Szene und allen Beobachtern den Weg in eine barrierefreie Zukunft weist. Der Red-Dot Design Award könnte somit irgendwann von einer wirklich barrierefreien Seite gewonnen werden - bis dahin bleibt er eine Auszeichnung, die ausschließlich für gute Gestaltung vergeben wird.

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Die intensive Beschäftigung mit digitaler Barrierefreiheit spiegelt sich auch in diversen Auszeichnungen wider, die anatom5 seit 2003 erhalten hat, darunter 10 Nominierungen für einen BIENE-Awards der Aktion Mensch.

Digitale Barrierefreiheit