Vorneweg, den Titel Handreichungen zur BITV habe ich mir nicht selber ausgedacht. Unter diesem, aus meiner Sicht ziemlich sperrigen Titel, wollen die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik BFIT-Bund und ihre Arbeitsgruppen eine Einführung bzw. Orientierung zu diversen Aspekten der digitalen Barrierefreiheit bereitstellen. Mit Unterstützung des Kompetenzzentrums Digitale Barrierefreiheit der Hochschule der Medien Stuttgart stehen aktuell zwei Handreichungen zur Verfügung. Einmal für barrierefreies Software und ganz aktuell für Barrierefreie mobile Apps. Wir haben uns das mal angesehen.

Anleitung zur Umsetzung der EU-Richtlinie 20216/2102

Auf Basis der EU-Richtlinie 20216/2102 sind alle öffentlichen Stellen (Ministerien, Verwaltungen, Kommunen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, etc.) verpflichtet mobile Anwendungen inklusive ihrer Inhalte barrierefrei bereitzustellen. Die neue Handreichung für barrierefreie mobile Apps wendet sich dabei an die Verantwortlichen der Gewerke Design, Webentwicklung und Qualitätssicherung für die Plattformen iOS und Android. Sie wendet sich aber auch an Behindertenbeauftragte öffentlicher Stellen.

Barrierefreie Apps – Anleitung in kleinen Häppchen

Strukturell ist die Handreichung (nennen wir sie besser Anleitung) zur Umsetzung barrierefreie Apps in kleine Häppchen (jeweils zwischen 5 bis 35 Minuten Lesezeit) unterteilt. Dabei hangelt sich die Anleitung über Grundlagen, wie die vielfältigen Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern mit unterschiedlichen Behinderungsarten, sogenannte Personas, über allgemeine Tipps zur Entwicklung von mobilen Apps hin zu Screenreadern auf mobilen Endgeräten sowie Prüfansätzen und Prüfverfahren für mobile Anwendungen. Alle Informationen der Handreichungen stehen unter der Creative Commons Lizenz „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)“ zur Verfügung. Vielleicht hilft das ja der Verbreitung.

Mobile Apps – BITV-Prüfverfahren im Vergleich

Wie bereits erwähnt, bietet die Handreichung auch Informationen zu Prüfverfahren für barrierefreie Apps. Unter der Überschrift Prüfverfahren im Vergleich werden vier Verfahren einander gegenübergestellt und verglichen. Folgende Verfahren werden einander gegenübergestellt:

• BIK BITV-Test für Apps
• BITi Test für Apps
• BITV-Audit
• Barriere-Check Pro

Wer sich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit auskennt, hat vermutlich von den ersten beiden Testverfahren schon etwas gehört. Sie sind in deutscher Sprache frei zugänglich und ausführlich dokumentiert. Die beiden letzteren sind proprietäre Verfahren der Firmen T-Systems MMS und anatom5. Beide Firmen sind auf das digitale Barrierefreiheit seit vielen Jahren spezialisiert. Anhand der veröffentlichten Beschreibungen der vier Verfahren kann man die jeweiligen Unterschiede vergleichen. Insofern ist die Handreichung auch für eine Bewertung der in Deutschland verfügbaren Testverfahren für Barrierefreiheit hilfreich – denn einen solchen Vergleich gibt es nach meinem Kenntnisstand ansonsten nirgendwo.

Etwas schade ist allerdings, dass T-Systems MMS für ihr Verfahren keinen gut unterscheidbaren Markennamen gewählt hat. Der BITi-Test sowie der BIK-BITV-Test und der Barriere-Check Pro sind Markennamen. BITV-Audit nicht. BITV-Audit ist defacto nur eine ganz allgemeine Beschreibung und kein „Produktname“. Wir selbst (anatom5) bieten auch BITV-Audits an. Viele Kolleginnen und Kollegen auch. Zumeist aber nicht nach dem Muster von T-Systems MMS, welches neben den bekannten Richtlinien, zusätzlich heuristische Verfahren anwendet. Eine Differenzierung durch einen einprägsamen und individuellen Namen wäre also sinnvoll und aus meiner Sicht auch im Sinne von T-Systems MMS. Vielleicht ist das ja eine Anregung.