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Deutsche Sprache? Schwere Sprache!

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Der Countdown läuft: Der BIENE-Award geht langsam in seine entscheidende Phase, nachdem in der vergangenen Woche alle Einreichungen, die die ersten Hürden des Wettbewerbs für barrierefreies Internet genommen haben (es also überhaupt erstmal bis hierher geschafft haben), auf einen Punkt untersucht wurden, an dem sich die Geister der Verfechter barrierefreier Informationstechnologie scheiden.

Der Prüfschritt (Kriteriengruppe 19) des BIENE-Award-Kriterienkatalogs 2004, der sich an den Anforderungen 4, 12 und 14 der BITV orientiert, untersucht alle eingereichten Arbeiten unter dem Stichwort: Leichte Sprache.

Um es vorne weg zu nehmen, es geht natürlich nicht darum, für sämtliche Inhalte in geschriebener Form den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und als Maßstab für zukünftige Publikationen zu definieren. Weder im Internet noch sonst irgendwo. Zumindest sollte es nicht darum gehen, und die meisten Prüfschritte der Kriteriengruppe 19 lassen eigentlich auch genug Raum, um diesen heiklen Prüfpunkt sachgerecht zu bewerten und zu gewichten:

BIENE-Award 2004 - Prüfschritte der Kriteriengruppe 19: Leichte Sprache

  • Versionen in Leichter Sprache werden zielgruppenspezifisch eingesetzt
  • die Wortwahl bezüglich der Verwendung von Fachbegriffen, Fremdwörtern, Abkürzungen ist so einfach, wie es der Zielgruppe angemessen ist
  • der Satzbau ist so einfach, wie es der Zielgruppe angemessen ist
  • graphisch dargestellte Metaphern und Symbole sind angemessen erklärt
  • Bilder, Illustrationen, Videos, Audio, Symbole und Symbolsprachen werden eingesetzt, um Inhalte zu veranschaulichen
  • es werden praktische Beispiele gegeben, um schwierige Inhalte zu verdeutlichen
  • es werden vielfältige Erschließungsmöglichkeiten des Inhalts angeboten

Leichte Sprache, Fachbegriffe & Fremdworte, einfacher Satzbau

Vielleicht mag die obige Auflistung der Prüfschritte den einen oder anderen Verantwortlichen zunächst erschrecken, aber bei genauer Betrachtung der Prüfschritte zeigt sich doch, dass viele der Forderungen, die unter dem Punkt "Leichte Sprache" zusammengefasst sind, relativ einfach zu handhaben sind. Das Zauberwort heißt: Zielgruppe! Die Forderung nach zielgruppenspezifischer Sprache, beziehungsweise zielgruppenspezifisch einfacher Sprache, sollte Marketing- und Vertriebsverantwortlichen aus der Seele sprechen. Das Gleiche gilt für Usability-Experten. Auch Journalisten dürfte die Forderung kein Kopfzerbrechen bereiten. Einfache Sprache bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass man Inhalte nicht unnötig verklausuliert. Sprache dient der Informationsübermittlung. Wer verstanden werden will drückt sich verständlich aus. Wer seine Zielgruppe in der richtigen Tonlage adressiert, sollte über die ersten drei Prüfaschritte der Kriteriengruppe 19 nicht stolpern.

Bilder, Illustrationen und Symbole

Dass Bilder, Illustrationen, Video, Audio, Symbole und Symbolsprachen eingesetzt werden, um Inhalte zu veranschaulichen ist mit Sicherheit nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Niemand wird und kann den gleichzeitigen Einsatz aller genannten unterstützenden Elemente fordern. Bilder, Illustrationen und Symbole finden sich aber ohnehin in fast jedem Text. Alleine schon, um die Zielgruppe zum Lesen zu animieren. Insofern sollte auch dieser Punkt der Kriteriengruppe 19 unproblematisch sein.

Praktische Beispiele für schwierige Inhalte

Auch die Forderung nach praktischen Beispielen, um schwierige Inhalte zu verdeutlichen hätten wenig dämonisches an sich, wenn die Forderung mit dem Zusatz "der Zielgruppe angemessen" verbunden wäre. Ohnehin scheint uns dieser Zusatz der Dreh- und Angelpunkt der Forderung nach leichter Sprache zu sein. Seien wir ehrlich: Es muss möglich sein, Sprache als Ausdrucksform zu pflegen und zu kultivieren. Das betrifft Literatur ebenso, wie journalistische Veröffentlichungen. Letztere um so mehr, da der Journalismus das Medium Internet in Form von Blogs immer mehr für sich entdeckt.

Alternative Erschließungsmöglichkeiten

Aber was ist mit der Forderung nach vielfältigen Erschließungsmöglichkeiten des Inhalts? Auch hier fehlt zwar der Zusatz "der Zielgruppe angemessen", dennoch kann man diesem Punkt in Teilen durchaus entsprechen. Kontaktmöglichkeiten, wie Umfragen, Chats, Foren und Abstimmungen gelten hier ebenso als zusätzliche Erschließungsmöglichkeit, wie zum Beispiel Bildergalerien. Da wir davon ausgehen, dass dieser Punkt zwar bei Erfüllung zur Aufwertung, bei Nicht- oder Teilerfüllung aber nicht zur Abwertung führen kann, sollte auch dieser Punkt niemanden zu sehr abschrecken. Letztendlich geht es in der Summe aller Forderung nach einfacher Sprache ja "nur" um mehr Verständlichkeit der Inhalte für die jeweilige Zielgruppe.

Metaphern und Symbole

Bleibt noch die Frage: "werden graphisch dargestellte Metaphern und Symbole angemessen erklärt?". Wie alle Prüfschritte der Kriteriengruppe 19, die ihre Forderungen ohne die Einschränkung "der Zielgruppe angemessen" stellen, macht diese Forderung die Bewertung der, insgesamt ohnehin sehr subjektiven Kriteriengruppe 19, faktisch unkalkulierbar.

Gut gemeint ist nicht selten ungleich gut. Niemand, der Metaphern verwendet - weil er seiner Zielgruppe ja gerade zutraut, diese zu entschlüsseln und in den richtigen Kontext zu setzen - wird diese für diejenigen, die er nicht für seine Zielgruppe hält, übersetzen. Eine Metapher - graphisch oder nicht - wird ja gerade dazu eingesetzt einen anderen Sachverhalt zu veranschaulichen. Wenn ich als Autor aber davon ausgehen muss, dass die Metapher gar nicht verstanden wird, verzichte ich doch ohnehin auf ein solches stilistisches Mittel. Hier beißt sich die Katze offensichtlich selbst in den Schwanz, um es mal bildlich auszudrücken.

Einfach für alle einfache Sprache?!

Viele der oben genannten Forderungen helfen das Internet für alle Menschen zugänglicher zu machen. Viele der oben genannten Forderungen sind auch nicht neu und sollten von Verkaufsförderern, Benutzerfreunden, Journalisten, Profi- und Hobby-Textern mittlerweile verinnerlicht sein. Manche Forderungen mögen ungewohnt sein, könnten aber ebenfalls helfen, die eigene Sprache einer strengeren Kontrolle zu unterziehen. Die ultimativ einfache Sprache für alle Menschen kann es nicht und wird es niemals geben. Von möglichst vielen Menschen verstanden zu werden sollte aber dennoch oberstes Ziel sein. Nicht zuletzt, weil Nachlässigkeit und Unwissenheit auf diesem Gebiet noch immer zu ungewollten Verirrungen führen. Verirrungen, die oftmals leicht zu beseitigen wären.

Ein schönes Beispiel dafür ist eine neue Marketing-Studie, die die Verständlichkeit englischer Werbeslogans in der deutschen Werbung erforscht hat. Demnach konnten selbst kurze Slogans wie "Driven by instinct" (Audi TT) von nur sehr wenigen der über 1.100 Befragten korrekt übersetzt werden. Der neue Slogan des Audi TT heißt übrigens nicht mehr "Driven by instinct", sondern einfach "pur und faszinierend". Mitsubishi wirbt jetzt nicht mehr mit "Drive Alive" sondern mit "Heute. Morgen. Übermorgen" und bei RWE kommt nach "One Group. Multi Utilities" ab sofort "Alles aus einer Hand". Wetten, dass 100% aller Befragten diese Slogans verstehen?!

Die Endmark AG in Köln hat in einer repräsentativen Studie untersucht, inwieweit englische Claims überhaupt verstanden werden. Das Ergebnis erstaunte selbst die Kritiker von zuviel Englisch in der deutschen Sprache.

Fazit: es gibt immer Möglichkeiten, auch im Bereich der verwendeten Sprache Verbesserungen vorzunehmen. Inwieweit das für den BIENE-Award reicht, steht auf einem anderen Blatt (Achtung Metapher). Inhaltlich der BITV zu entsprechen sollte dagegen kein Problem sein.

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