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Bienenstich: Polizei-NRW mit neuer Website

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Am 22.05. wurde in NRW ein neuer Landtag gewählt und das rot-grüne Bündnis durch die neue schwarz-gelbe Koalition abgelöst. Schwarz-gelb und NRW - da fällt uns spontan ein derart gefärbtes Tier ein - aber vielleicht sind wir einfach schon zu konditioniert und denken bei schwarz-gelb und NRW automatisch an eine BIENE. Und an die Polizei-NRW, die bei den vergangenen beiden Wettbewerben jeweils mit Gold belohnt wurde. Jetzt gibt es eine neue Website, die wir uns genauer angeschaut haben.

Grafisch aufgewertet

In den Landesfarben grün, grau/weiß und rot präsentiert sich die neu gestaltete Internetpräsenz der Polizei in NRW. Vom mausgrauen Block-Design der Vorgängerseiten ist wenig übrig geblieben, auch wenn die generelle Aufteilung in drei Spalten ein wenig Vertrautes bewahrt. Bestimmte Design-Elemente kommen uns vertraut vor. Beispielsweise der Bildwechsler in der Kopfzeile, den wir vom Landesportal Baden-Württemberg schon kennen. Oder auch der Schatten rechts außen, der uns vom gleichen Portal bekannt vorkommt und der zwischenzeitlich absolute Hochkonjunktur im CSS-Design hatte und noch immer hat.

Technisch umgebaut

Waren die "alten" Polizei-Seiten in Nordrhein-Westfalen noch handgestrickt, werkelt nun hinter dem neuen Auftritt ein Content Management System. Das bedeutet natürlich einige Umstellungen, in der Anfangszeit zumeist sogar mehr Möglichkeiten für Fehlerquellen und oftmals leider auch fehlende Validität, wenn keine Qualitätssicherung eingebaut wurde. Das verwendete CMS "step one Solution Server" sagte uns dabei zunächst gar nichts, doch angesichts von mehr als eintausend Content Management Lösungen im deutschsprachigen Raum mag das nicht weiter verwundern. Doch wie barrierefrei ist diese Lösung? Die hauseigene Pressemeldung sieht das so:

Im Rahmen der technischen Umsetzung bestand die maßgebliche Herausforderung darin, die Pflege des barrierefreien Portals über ein einfach zu bedienendes Redaktionssystem zu ermöglichen. "Uns ist es gelungen, die hohen technischen Anforderungen an ein barrierefreies Online-Angebot auf Basis eines Content-Management-Systems zu realisieren" so Simon Biela, Projektleiter seitens der kernpunkt GmbH.

Schauen wir also, wie es in der Praxis aussieht und werfen einen Blick unter die Motorhaube, also in den Quelltext der Seite.

Validität von XHTML & CSS

Unser erster Schock saß tief: bei einem Test mehrerer Seiten (Startseite, Unterseiten) des neuen Polizei-Portals stellten wir fest, dass die W3C-Standards für XHTML nicht immer eingehalten wurden. Abgesehen von einer unüberschaubaren div-Hölle, die schon tabellenähnliche Formen annimmt, wurden zahlreiche Fehler, wie nicht geschlossene Tags oder dergleichen mehrfach entdeckt. Inzwischen validieren die meisten Seiten, auch wenn man mit Tidy noch das ein oder andere Problem finden kann, doch zumeist handelt es sich hierbei um Dinge, die unproblematisch sind und lediglich Hinweise für zukunftsgerichtetes Coding liefern. Trickreich haben die Programmierer die meta-Tags geschlossen - aber mit einem meta anstatt der korrekten XHTML-Variante. Der Validator läßt es durchgehen.

Ganz anders sieht es da im CSS-Code aus. Hier meckert nicht nur der W3C-Validator, vielmehr fragt man sich, wo der übersichtlicheund wohlstrukturierte Code alter Tage geblieben ist. Am Content Management System kann das jedenfalls nicht liegen, denn "display: hidden" gibt es schlicht und einfach nicht.

Weitere Eindrücke

Schon beim ersten Aufruf der neuen Internetpräsenz ist uns aufgefallen, dass die Schrift mitunter sehr klein geraten ist. Gottlob ist sie skalierbar, so dass man sich die Inhalte auf eine angenehme Größe ziehen kann, um nicht mit der Nase am Monitor kleben zu müssen. Manchmal hilft aber auch die beste Vergrößerung nichts. Im Fall der neuen Website der Polizei NRW sind die Farbkontraste zum Teil viel zu schwach, wie im Fall des Suchfeldes mit hellgrau auf weiß, und es kommt sogar noch schlimmer: Die mit Doppelgold ausgezeichnete Website verstößt nun ganz eindeutig gegen die BITV, genauer gesagt gegen Anforderung 2:

Texte und Graphiken müssen auch dann verständlich sein, wenn sie ohne Farbe betrachtet werden.

Im Fall der Metanavigation und bei den aktivierten Punkten der Hauptnavigation ist dies sicherlich nicht der Fall. Sind beispielsweise Bilder deaktiviert, werden Teile des Inhalts unsichtbar, da sie in weißer Schrift auf weißem Untergrund stehen. Auch beim BIENE-Award bedeutet dieser Makel den sofortigen Ausschluss, zumindest in Kombination mit der fehlenden XHTML-Validierung auf einigen Seiten und im CSS-Bereich.

Usability

Die alten Seiten der Polizei NRW, die man übrigens vom HTML- und CSS-Gerüst her noch beim Bürgerservice wiederfinden kann, boten dem Benutzer zahlreiche Annehmlichkeiten. Allen voran die sichtbare Fokus-Verschiebung beim Tabben durch die Seite oder auch das Einblenden unsichtbarer Links aus der Sprungnavigation in der Kopfzeile. Beides ist verloren gegangen. Und es kommt noch schlimmer. Links, mit Ausnahme vom Inhaltsbereich, sind nicht immer eindeutig als solche identifizierbar. Manchmal sind sie weiß, manchmal schwarz, mal blau, mal unterstrichen oder mal fett. Das ist nicht nur aus Accessibility-Sicht schlecht, sondern auch im Hinblick auf die Usability.

Zwar präsentiert sich das Portal optisch ansprechender und aufgeräumter, jedoch fehlt zuweilen die Stringenz, die barrierefrei konzipierte Internetseiten zumeist auszeichnet, zumindest jene, die eine goldene BIENE für herausragende Barrierefreiheit erhaltenhaben.

Fragen über Fragen

Kommen wir zum Abschluss unserer Betrachtungen, wobei wir lediglich an der Oberfläche kratzen und dort schon beschämende Details zu Tage fördern, die uns die Frage aufdrängen, wie um Himmels Willen denn ein BIENE-Gold-Gewinner auf einmal derart abstürzen kann?!? Wem das zuvor Geschilderte noch nicht ausreicht, dem können wir noch unangekündigte JavaScript Pop-Ups mit auf den Weg geben, fehlende title-Attribute auf wichtigen Links, keine Auszeichnung von Sprachwechseln oder Akronymen und natürlich die von uns häufig bemängelte fehlende Druckausgabe via Stylesheet. Viele dieser Aspekte wurden von der alten Version zur neuen Version verschlechtert oder ganz weggelassen. Auch das nötigt uns neue Fragen auf und so haben wir uns auf die Suche nach Antworten begeben.

Antworten - ein Versuch

Guido Karl, seines Zeichens der Mann, der die Polizei fast im Alleingang auf den goldenen Weg der Barrierefreiheit führte, wird zwar in den Pressemitteilungen vor den PR-Wagen gespannt, allerdings sind Zweifel hier durchaus angebracht, denn Guido Karl hat in der Vergangenheit durch absolute Fachkompetenz in Sachen Accessibility und Usability überzeugt, gilt in Fachkreisen als absoluter Experte. Ihm dürften diese Schnitzer wohl kaum entgangen sein. Nun ist die Polizei in NRW keine One-Man-Show und das Impressum der neuen Website weist Guido Karl zwar noch aus, es sind aber neue Verantwortliche hinzugekommen - scheinbar allesamt aus dem Referat Öffentlichkeitsarbeit. Alles andere als unbekannt ist auch die Agentur, die für den Relaunch der Polizei NRW verantwortlich zeichnet. Bereits mit der Aktion "Barrierefrei in nur einem Tag" verhob man sich seinerzeit kräftig am Taubenschlag und war dann - obgleich der negativen PR - auch ein wenig pikiert. Inzwischen ist die alte Taubenschlag-Website wieder und immer noch online - sechs Monate nach dem als gescheitert geltenden Versuch zur Barrierefreiheit. Seither ist es sehr ruhig geworden um die Kölner Agentur, die das Thema Barrierefreiheit leider allzu lax angeht, wie auch das neuerliche Beispiel Polizei NRW deutlich zeigt. Das sind nicht mehr die soliden Grundmauern, die Michael Charlier und Guido Karl dereinst gelegt haben.

Doch es könnte noch schlimmer kommen. Nach dem Regierungswechel in Nordrhein-Westfalen und mit den Worten des zukünftigen Landeschefs Rüttgers im Ohr dürfte eine Überarbeitung der Website aus Kostengründen vielleicht sogar entfallen oder zumindest aufgeschoben werden. Dabei besteht unserer Ansicht nach dringender Handlungsbedarf in Düsseldorf!

Fazit

Ein derart bekanntes und schillerndes Beispiel für Barrierefreiheit, das unter anderem in den Siegerlisten der vergangenen Jahre, wie auch bei Wikipedia auftaucht, muss unserer Ansicht nach zumindest den Grundanforderungen der Barrierefreiheit genügen. Ja, eigentlich müsste man die eigenen Ansprüche im Innenministerium sogar dahingehend formulieren, dass man mit jeder neuen Version der Website die Grenzen der Barrierefreiheit ein Stück mehr auslotet. Aber bitte zu Gunsten der Benutzer und nicht zu deren Schaden. Bleibt uns eine letzte Frage, die wir selbst nicht beantworten können: muss man eine BIENE aberkennen, wenn das, wofür sie verliehen wurde, nicht mehr gegeben ist?

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