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Barrierefreiheit nicht nur für blinde Menschen

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Dass bei Barrierefreiheit heute viele Menschen automatisch an Internetseiten denken, die auch für blinde Menschen zugänglich sind, hat viel mit der unermüdlichen Lobby-Arbeit der großen Blinden- und Sehbehindertenverbänden in den vergangenen Jahren zu tun. So wichtig barrierefreies Webdesign für diese große Gruppe von behindeterten Internetnutzern ist, so problematisch ist unserer Meinung nach die eindimensionale Wahrnehmung der Thematik Barrierefreies Internet in der Öffentlichkeit.

Sicherlich, ohne die Interessenvertreter der Behindertenverbände wäre Barrierefreies Internet in seiner Entwicklung noch immer ganz am Anfang. Nicht zuletzt, weil es in der Vergangenheit in der gesamten Multimediabranche praktisch kein Interesse an der Verbreitung der barrierefreien Informationstechnologie gegeben hat. Zwar hat es vereinzelt immer Tüftler gegeben, die sich für das Thema Barrierefreiheit begeistern konnten, ein Marktinteresse, besonders bei den großen Agenturen gab es aber nicht.

Das scheint sich langsam zu ändern und viele Verantwortliche stellen sich die Frage, wie man Barrierefreiheit in der freien Wirtschaft verkaufen kann. Dass sich die Bigplayer der Multimediabranche um die Stücke vom Kuchen reißen, die aus der Öffentlichen Hand kommen, war abzusehen, aber richtig spannend wird es doch erst, wenn die Unternehmen der freien Wirtschaft auf den Zug aufspringen. Und spätestens dann sollte man sich darüber im Klaren sein, wie groß die Zielgruppe für barrierefreies Webdesign tatsächlich ist.

Abgesehen von all den blinden, sehbehinderten, hörgeschädigten, gehörlosen, motorisch und geistig behinderten Menschen, profitiert die immer größer werdende Zielgruppe 50-plus genauso von der Entwicklung der barrierefreien Informationstechnik, wie die in Zukunft ebenfalls wachsende Zahl der Zuwanderer, sprich Migranten. Obwohl alleine die Summe dieser Menschen, die man mit einem herkömmlichen Internetauftritt nicht oder nur schlecht erreichen würde, in Marketing- und Vertriebsabteilungen schon für glänzende Augen sorgen sollte, dürfen die oft genannten Suchmaschinen der Vollständigkeit halber hier nicht fehlen. Auch sie lieben barrierefreie Internetauftritte.

Aber es gibt noch mehr Menschen, die man mit einem nicht-barrierefreien Internetauftritt ausschließt. Eine Gruppe von Menschen, die nicht so offensiv um Teilhabe an unserer Informationsgesellschaft kämft, wie blinde und sehbehinderte Menschen das durch ihre Verbände tun. Eine Gruppe von Menschen, die alles tut, um unentdeckt zu bleiben. Analphabeten.

Wussten Sie, dass rund vier Millionen Deutsche Analphabeten sind?

Vier Millionen Analphabeten in Deutschland: das bedeutet bei 80 Millionen Einwohnern, von denen 19 Prozent bei durchschnittlich 78 Jahren Lebenserwartung unter 15 Jahren sind und per Definition nicht in die statistisch auszuwertende Zielgruppe gehören, dass der übrige Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung zu 6 Prozent aus Analphabeten besteht.

Hier werden zwei Formen von Analphabetismus unterschieden: primärer und sekundärer Analphabetismus. Als primärer Analphabetismus wird die Unfähigkeit bezeichnet, eigene Muttersprache in ihrer gedruckten Form lesen zu können. Unter sekundärem Analphabetismus versteht man ein Phänomen des Verlustes einst erworbener Schreib- und Lesefähigkeiten infolge des unzureichenden Kontakts mit gedruckten Texten. Von dem Problem des sekundären Analphabetismus sind insbesondere die Länder der Industrienationen betroffen.

Erschreckende Bilanz für Deutschland auch in der PISA-Studie: Ein Viertel der 15-Jährigen in Deutschland gehört aufgrund ihrer Leseschwäche zu einer Risikogruppe, die von gesellschaftlichem Ausschluss bedroht ist.

Das Internet als präres Text-Medium enthält folglich für Analphabeten große Barrieren. Trotztdem gibt es verschiedene Möglichkeiten Inhalte im Internet auch für Analphabeten zu erschließen:

  • Plugins, die Text in Sprache umsetzen
  • Webdienste, die eine Sprachausgabe erzeugen
  • Hilfsmittel, die Text in Sprache umsetzen

Das AbI-Projekt hat hierzu unter dem Titel "Und wenn jemand nicht lesen kann?" Hinweise zu den verschiedenen Lösungsansätzen in einer Stellungnahme veröffentlicht.

Übrigens: als alphabetisiert gilt heute, wer sich an allen Aktivitäten, bei denen Lesen und Schreiben erforderlich sind, und ebenso an der weiteren Nutzung dieser Kulturtechniken für seine eigene Entwicklung und die seiner Gemeinschaft beteiligen kann. (UNESCO: Statement of the International Commitee of Experts on Literacy, 1962)

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