Wer sich heute mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigen will oder muss, wird schnell feststellen, dass das Thema ansich sehr vielschichtig ist. Die Forderung nach Barrierefreiheit steht überall da im Raum, wo Barrieren Zugang verwehren. Insofern ist die Thematik grundsätzlich nicht zwingend an Menschen gekoppelt, die physisch oder psychisch in irgend einer Form ein Handicap zu tragen haben.

Da allerdings die urbane Umwelt ursprünglich von Menschen ohne Handicap für Menschen ohne Handicap geschaffen wurde, konnten Barrieren für diese Menschen in der Entwicklung unserer Gesellschaft weitestgehend vermieden werden. Natürlich nur, wenn man die Betrachtung außer Acht lässt, dass unsere urbane Welt, außerhalb der eigenen vier Wände, mehr auf das Automobil, als auf den unmotorisierten Menschen zugeschnitten ist. Davon abgesehen basiert das Konzept unserer Gesellschaft grundsätzlich auf dem Prinzip der Barrierefreiheit.

Interessanterweise verbinden Menschen aber mit dem Begriff der Barrierefreiheit, wenn Sie denn etwas mit dem Begriff verbinden, behindertengerechte Anpassung einer nichtbehinderten Welt. Das heißt, eine Treppe wird durch eine entsprechende Rollstuhlrampe behindertengerecht für Rollstuhlfahrer. Eine Fußgängerampel wird durch eine spezielle Signalanlage barrierefrei für Sehbehinderte und Blinde. Straßenbahnen werden durch Niederflurbahnen ersetzt und somit barrierefrei für Senioren und Seniorinnen beziehungsweise für Frauen mit Kinderwagen. Nicht jedoch zwangsläufig für Rollstuhlfahrer.

Der Begriff Barrierefreiheit ist also immer an das Bestehen von Barrieren gekoppelt, so wie eine Barriere nur im Wechselspiel mit dem Wunsch nach Zugang besteht. Da aber Zugang in der Regel für den Durchschnitt ausgelegt ist, sind Barrieren für alle, die dem Durchschnitt nicht entsprechen logische Konsequenz. Der Ruf nach Barrierfreiheit ist also nichts anderes als der berechtigte Wunsch am Leben in unserer Gesellschaft in vollem Umfang teilzunehmen.

Allerdings gibt es im alltäglichen Leben so viele Barrieren, wie Behinderungsarten selbst. Je verbreiteter eine bestimmte Form der Behinderung ist, desto größer ist die Chance, dass entsprechende Barrieren beseitigt werden − siehe Rollstuhlrampe. Minderheiten, deren Barrieren nur durch Speziallösungen eingerissen werden können, haben da oft weniger Glück. Seien es nun Barrieren durch mangelhafte Wohnungs-, Bau- oder Stadtplanung, Barrieren im Öffentlichen Verkehrsnetz oder Barrieren bei der Nutzung moderner Technologien, wie dem Internet. Barrierefreiheit bedeutet nicht Integration. Barrierefreiheit gilt für alle. Bleibt zu hoffen, dass der öffentliche Druck wächst, das Thema Barrierefreiheit weiter an Fahrt gewinnt und Witze à la "Barrierefreiheit − Autofahren für Blinde" bald der Vergangenheit angehören.