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Aktionsbündnis auf der REHACare 2006

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Es ist so weit, auch wenn der Herbst noch nicht so recht sein ungemütliches Gesicht zeigen will, es gibt deutliche Zeichen, dass sich das Jahr 2006 seinem Ende neigt. Zum einen sicherlich der BIENE-Award, dessen Prüf- und Ausscheidungsverfahren von Anfang August bis zur endgültigen Preisverleihung im Dezember für andauernde Spannung sorgt. Zum anderen die jährlich stattfindende REHACare, der wichtigsten internationalen Fachmesse für Rehatechnik und Hilfsmittel, auf der auch traditionell große Verbände, wie zum Beispiel der Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen, der Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein e.V., oder die BAG Selbsthilfe mit Ständen vertreten sind.

AbI-Gesamttreffen 2006

Diesen Rahmen nutzt auch das Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik (AbI-Projekt), in dem sich Behindertenverbände und Experten zusammengeschlossen haben, für sein jährliches Gesamttreffen. Das diesjährige Treffen fand am 19. Oktober 2006 in Kongressräumen der Messe Düsseldorf statt. Eingeladen waren, wie jedes Jahr, alle Mitglieder, Partner und Unterstützer des Projekts. Tatsächlich fanden hauptsächlich Vertreter der Mitglieder und Partner, wie zum Beispiel der BAG Selbsthilfe, des Forschungsinstituts Technologie und Behinderung (FTB Volmarstein), Web for All oder auch BIK den Weg zu dem Treffen. Von den Unterstützern, unter denen sich auch viele Agenturen befinden, wurden indes nur wenige Vertreter gesichtet. Entweder war die Anreise zu mühsam, wobei Düsseldorf in Sachen Erreichbarkeit wohl kaum zu übertreffen ist, oder das Interesse auf Seiten der Agenturen war einfach zu gering.

Wichtiges Thema: Zertifikat für Barrierefreies Webdesign

Die auffällige Abwesenheit von Agenturen war eigentlich schade, denn gerade in diesem Jahr ist im Bereich Barrierefreies Webdesign viel passiert. Seit August gibt es das lange erwartete, aber umstrittene Zertifizierungsprogramm "DIN-Geprüft barrierefreie Website". Da dieses Zertifikat vom "Arbeitskreis Test" des AbI-Projekts, der aus Web for All, BIK, FTB, ifib und panta rhei besteht, in Zusammenarbeit mit der "DIN CERTCO Gesellschaft für Konformitätsbewertung mbH" entwickelt wurde, stand das Thema Zertifikat natürlich auch auf dem AbI-Gesamttreffen auf der Tagesordnung. Grob wurde zunächst der lange Weg vom öffentlich geförderten Auftrag durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, über die erste Erarbeitung und Empfehlung eines dreistufigen Testverfahrens (Vorprüfungstest, BITV-Kurztest und Hauptprüfung) und die mühsame Debatte über anfängliche Schwächen des Testverfahrens skizziert. Auch die Verbesserungsvorschläge für das Testverfahrens, insbesondere der Hauptprüfung, für das der Barrierekompass und anderer AbI-Unterstützer ein stärker prozessorientiertes Verfahren gefordert hatten, wurden erwähnt, da diese sich auch in der finalen Hauptprüfung zum Zertifikat wiederfinden.

Bemerkenswerterweise gab es von den Anwesenden zu dem komplexen Thema Zertifizierung von Internetseiten im Prinzip keine Fragen. Und sicherlich wäre man auch schnell zum nächsten Programmpunkt übergegangen, wenn nicht Arne Olsen von Enteraktiv und Jörg Morsbach von der Agentur anatom5 die Gelegenheit genutzt hätten, um nachzufragen. Die Gebührenordnung für ein Zertifikat und das Prüfverfahren an sich liegen zwar längst offen, aber es gab dennoch viele konkrete Fragen, die vage oder unbeantwortet blieben. So konnte weder geklärt werden, warum ein Zertifikat, das mit Steuergeldern entwickelt wurde, samt Testverfahren an das Wirtschaftsunternehmen DIN CERTCO gegangen ist? Noch konnte auf der anderen Seite beantwortet werden, ob und wie auch andere Experten im Bereich der barrierefreien Informationstechnologie auf der Basis des offen liegenden Prüfverfahrens (eben jenes, das DIN CERTCO als Grundlage für das Zertifikat verwendet) Webseiten auf Barrierefreiheit überprüfen und zertifizieren dürfen. Die Antwort auf diese Frage war ausweichend und gerade deshalb besonders interessant. Demnach will DIN CERTCO erstmal einige bezahlte "Testläufe" absolvieren, um zu sehen, ob das Verfahren praxistauglich ist. Erst danach will man über die Möglichkeit, auch Partnerunternehmen Webseiten überprüfen und zertifizieren zu lassen, nachdenken. Ob es in der Zwischenzeit eine Warteliste oder sogar ein gesichertes Auswahlverfahren für geeignete Agenturen und Experten geben soll, wurde offen gelassen. Schlimmer noch, es wurde die Möglichkeit in Aussicht gestellt, dass der BVDW die Zertifizierung von Agenturen übernehmen könnte. Für viele Experten und Agenturen, die sich schon lange sehr ernsthaft mit dem Thema Barrierefreiheit im Internet auseinandersetzen, sicherlich eine Horrorvorstellung. Die Pressemitteilung anlässlich der REHACare indes lässt hoffen:

Seit August gibt es auch das Zertifizierungsprogramm "DIN-Geprüft barrierefreie Website" (...). Jeder Website-Betreiber kann nun seine Internet-Angebote von einer unabhängigen Instanz prüfen und bewerten lassen. Mehr Informationen zur AbI-Hauptprüfung finden Interessierte über das Informationsportal von Web ohne Barrieren - wob11 

Auf Seiten von DIN CERTCO gibt man sich zuversichtlich, dass das Zertifikat für barrierefreie Internetseiten vom Markt angenommen wird. Überraschenderweise zielt man laut DIN CERTCO weniger auf Internetseiten, die der BITV unterliegen, als vielmehr auf Wirtschaftsunternehmen, die ein Siegel für ihre Bemühungen um Barrierefreiheit teuer zu erkaufen bereit sind. Vielleicht ist ja Pfizer der erste Kandidat, vielleicht aber auch die offizielle Internetseite des Bundespräsidenten, wie man hinter vorgehaltener Hand munkelt.

Was es sonst noch so gab.

Der Rest des Gesamttreffens war übrigens weniger brisant. Obwohl, da war doch noch was. Unter der Überschrift "Prozess für ein Internet ohne Hürden darf nicht stocken" hat das AbI-Projekt in Zusammenarbeit mit der BAG Selbsthilfe und Web for All eine Meldestelle für Barrieren im Internet iniziiert. Dazu Herr Prof. Christian Bühler vom AbI-Projekt:

Besonders heikel sei die Situation bei den Web-Angeboten der Bundesbehörden. Nach der Bundesverordnung für barrierefreie Informationstechnik (BITV), die vor vier Jahren in Kraft getreten ist, sollten die Bundesangebote bis zum 31. Dezember 2005 barrierefrei gemäß der BITV gestaltet sein. Die Realität sieht jedoch leider anders aus. Neue Tests haben gezeigt, dass etwa 80 Prozent der Internetauftritte nur mit erheblichen Schwierigkeiten von Menschen mit Handicap gelesen werden können.

Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, hat man sich eine Meldestelle für Barrieren im Internet ausgedacht. Frei nach dem Prinzip, wer eine Barriere findet, darf sie melden. Auch diese Meldestelle hat auf dem AbI-Gesamttreffen für Irritationen gesorgt. Wem ein besseres Wort für "Meldestelle" einfällt, darf sich gerne beim AbI-Projekt ... äähm ja ... melden.

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