2021 DIN Norm für Leichte Sprache
Das Recht auf Informationen in Leichter Sprache ist bereits seit 2016 im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz verankert. Die Öffentliche Hand ist daher auch schon länger, abhängig von der jeweils geltenden Bundes- oder Landes-BITV, zur Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache verpflichtet. Wie Leichte Sprache definierte ist, dafür gibt es schon seit Jahren eine ganze Menge Regeln, die jeder nachlesen und befolgen kann. Sogar der Duden-Verlag hat dazu einige Publikationen im Programm. Jetzt ist eine DIN Norm in Planung. Angestoßen durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt es seit Anfang 2019 Bestrebungen, eine Norm für Leichte Sprache zu entwickeln. Umsetzen soll dies das Deutsche Institut für Normung (DIN). Bei der Entwicklung der DIN SPEC für Leichte Sprache, einer kostenlosen Vor-Version, konnte ein Konsortium aus 35 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Übersetzern und Übersetzerinnen sowie weiteren interessierten Parteien Inhalte erarbeiten, die bis zum 18. Februar 2020 durch eine interessierte Öffentlichkeit kommentiert werden konnte.
Ziele einer DIN Norm für Leichte Sprache
Mit der geplanten DIN Norm für Leichte Sprache erhalten Autoren einheitliche „Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache“, um Texte in Leichter Sprache zu verfassen oder vorhandene Texte in Leichte Sprache zu übersetzen. Darüber hinaus soll die DIN Norm zur einheitlichen Qualitätssicherung und als Kriterien bei Ausschreibungen dienen. Die neue Norm soll vor allem auch Rechtssicherheit bei der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen der BITV (Stand 2019) liefern, also öffentliche Stellen in Bund, Ländern und Kommunen unterstützen.
Vorteile und Nachteile einer DIN Norm
Leichte Sprache soll Barrieren für Menschen mit einer Lernbehinderung oder Leseschwäche abbauen und ihre Teilhabe am sozialen Leben in unserer Gesellschaft erleichtern. Oft wird allerdings noch immer Leichte Sprache mit einfacher Sprache verwechselt. Viele „Übersetzungen“ in Leichte Sprache sind genau genommen eine Mischform aus beiden oder einfach nur Text in sehr einfacher Sprache. Es ist also wichtig, dass es klare Qualitätskriterien für eine Leichte Sprache gibt. Und gerade für Neulinge wären sie eine wichtige Unterstützung. Letztendlich aber auch für Auftragnehmer, die Übersetzungen bewerten und Abnehmen müssen.
Die Frage wird nur sein, wie weit eine Standardisierung und Normung gehen darf. Letztendlich dürfen Standardisierung und Normung mit dem Ziel einer einheitlichen Qualitätssicherung Texter, Übersetzer und Autoren nicht so in ihrer Unterschiedlichkeit (und Kreativität) beschränken, dass individuelles Arbeiten gar nicht mehr möglich ist. Die Frage ist auch, in wie weit auch die Form von der Normung betroffen sein wird. Und die Frage ist auch, ob eine DIN Norm die Frage beantworten kann, was gute Leichte Sprache ist? Ist jeder Text, der die DIN Norm erfüllt automatisch gut? Die sprachwissenschaftlichen Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt "Leichte Sprache – Kein Regelwerk" jedenfalls ist überzeugt, "die Regeln allein beantworten diese Frage nicht". Zitat:
„Für „Leichte Sprache“ wurden verschiedene Regelwerke verfasst. Sie geben Orientierung. Trotzdem können sie nicht alle Fragen erschöpfend vorab klären, die beim Schreiben aufkommen, denn jeder Autor muss immer wieder neu entscheiden, was zum jeweiligen Adressaten und zum jeweiligen Text passt.“
Was gute Leichte Sprache ist, bestimmen nicht nur die Regeln oder eine DIN Norm, sondern die tatsächliche Verständlichkeit der Texte selbst. Oft werden auch in Texten in Leichter Sprache bewusst „Regelverstöße“ in Kauf genommen, um eine bessere Verständlichkeit zu erzielen. Die Studie des LeiSA-Projekts kommt sogar zur Erkenntnis, Zitat: „Sie können gerade Ausdruck davon sein, dass eine zum jeweiligen Fall passende, angemessene Formulierungslösung gefunden wurde.“ Weiter schreibt die Studie des LeiSA-Projekts:
„Wie schon zu Beginn dargestellt, plädieren wir dafür, die existierenden Regelwerke eher als Sammlungen von Faustregeln zu verstehen und nicht als strikte Gesetze. Dann stellt sich allerdings die Frage: Wie entscheidet man, ob eine Faustregel in dem einen Fall eher gilt und in einem anderen weniger?“
Im Zusammenhang mit der geplanten DIN Norm für Leichte Sprache wird es spannend sein, in wie weit derartige Studienerkenntnisse mit einfließen. Ansonsten wird es für Texter, Übersetzer und Autoren unangenehm, wenn Ihre Texte in Leichter Sprache von Auftragnehmern nicht abgenommen werden, weil eine DIN-Norm nicht eingehalten wurde. Und was passiert eigentlich, wenn in Zielgruppentests bewusste „Regelverstöße“ besser verstanden werden, als die Übersetzung nach DIN Norm? Wenn die Norm Teil des Liefervertrags wird, kann eine Leistung formal erfüllt und für die Zielgruppe nicht erfüllt sein. Auf solche Fragen muss die Norm Antworten finden.
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