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Barrierefreiheit in den Sozialen Medien: Ein kleiner Leitfaden

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Es ist müßig darüber zu streiten, inwieweit Walled Gardens, wie Facebook und Co. nicht an sich schon eine Barriere darstellen. Doch selbst innerhalb dieser Plattformen existieren für viele Menschen unüberwindbare Hindernisse. Nehmen Sie zum Beispiel ein Meme, eine Art Internetwitz, bestehend aus einem Bild und einem kurzen Text, das oft humorvoll oder satirisch ist. Wenn Sie ein solches Meme ohne Alternativtext veröffentlichen, bleibt es für Menschen, die auf einen Screenreader angewiesen sind, völlig unzugänglich. Ähnlich verhält es sich mit Videos, Storys, Shorts und Reels ohne Untertitel. Für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen bleibt diese Art von Content stumm, die gesprochenen Worte und die Emotionen der Musik sind für sie nicht erfassbar. Das sind nur zwei einfache Beispiele von Barrieren in den Sozialen Medien, die aber leicht zu beheben wären.

Da wir von anatom5 in unseren Schulungen zum Thema digitale Barrierefreiheit oft gefragt werden, wie man Social Media Posts barrierefrei gestalten kann, soll der nachfolgende Artikel ein paar praktische Tipps liefern, um Social Media Inhalte inklusiver und zugänglicher zu machen.

Alternativtexte für Bilder

Auf Social Media Plattformen werden täglich unzählige Bilder ohne Alternativtexte gepostet, was Menschen mit starker Sehbehinderung den Zugang zu diesen Inhalten verwehrt. Alternativtexte sollen den Inhalt von Bildern präzise und wertungsfrei beschreiben, um sehbehinderten Menschen eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen. Social Media Manager, Content Creator und Online-Redaktionen spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie entscheiden, ob ihre Beiträge für Screenreader nur als leeres Bild dargestellt werden oder ob sie die Chancen zur Barrierefreiheit, die Plattformen wie Instagram bieten, nutzen. Dabei geht es nicht nur um das Hinzufügen von Alt-Texten, sondern auch um die Art und Weise der Beschreibung: Ein einfaches „Bild eines Balkendiagramms“ ist weniger hilfreich als eine detaillierte Beschreibung des Diagramminhalts selbst. Kurze, präzise Texte sind dabei effektiver als lange, überflüssige Informationen, da blinde Personen irrelevante Details filtern müssen. Mit sinnvollen Alternativtexten und Bildbeschreibungen können Social Media Beiträge ein breiteres Publikum erreichen und ohne großen Aufwand Inklusion fördern. Die meisten Plattformen, wie Instagram und Facebook, ermöglichen das Hinzufügen von Alt-Texten in den erweiterten Einstellungen eines Bild-Postings​​. Bei manchen Plattformen kann man in den Einstellungen sogar festlegen, dass Posts mit Bildern ohne Alternativtext gar nicht veröffentlicht werden können. Das ist beispielsweise bei Bluesky, dem neuen Twitter bzw. X-Konkurrenten (aktuell in der Beta-Phase) schon der Fall.

Einsatz von Emojis und Hashtags

Emojis werden von Screenreadern in Text übersetzt, was für sehbehinderte Menschen schnell überfordernd werden kann. Daher sollten Emojis sparsam und vorzugsweise am Anfang oder Ende des Contents eingesetzt werden. Sehende Menschen nehmen Emojis in der Regel nur als schmückendes Beiwerk wahr. Screenreader-Nutzer kennen diesen Luxus nicht. Vier Smileys mit Sonnenbrille werden dann je nach Screenreader als „Gesicht mit Sonnenbrille, Gesicht mit Sonnenbrille, Gesicht mit Sonnenbrille, Gesicht mit Sonnenbrille“ vorgelesen. Das kann schnell nerven. Auch Hashtags sollten sparsam verwendet werden, nicht zu lang sein und vor allem einen Mehrwert bieten. Hashtags, nach denen niemand sucht, machen wenig Sinn. Zusammengesetzte Begriffe sollten zudem mit Binnenmajuskel bzw. als Camel Case (deutsch in etwa: „Kamel-Buchstabe“, in Anspielung an die Höcker eines Kameles) formatiert werden. Diese Schreibweise verbessert das Verständnis beim Lesen mit Screenreadern und hilft Mehrdeutigkeiten zu vermeiden​​. Das sieht dann beispielsweise so aus #BarrierefreiheitUndInklusion statt #barrierefreiheitundinklusion.

Barrierefreie Gestaltung von Bildern

Neben Alt-Texten sind auch beschreibende Bildunterschriften (Captions) hilfreich, um den Inhalt von Bildern zu vermitteln. Diese sollten die zentrale Aussage des Bildes transportieren und bei Bedarf auch den Humor eines Bildes in Textform übersetzen​​. Auch das Thema Kontraste in Bildern und Memes spielt eine wichtige Rolle in der digitalen Barrierefreiheit, besonders für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen wie Farbenblindheit oder eingeschränkter Sehschärfe. Hohe Kontraste zwischen Text- und Hintergrundfarben erleichtern das Lesen und die Wahrnehmung von Inhalten. Wenn ein Meme beispielsweise Textelemente enthält, ist es wichtig, dass diese sich deutlich vom Hintergrund abheben. Das bedeutet, helle Texte sollten auf dunklen Hintergründen und umgekehrt dargestellt werden. Geringe Kontraste können hingegen dazu führen, dass Texte schwer lesbar sind und wichtige Informationen verloren gehen. Zudem sollte immer eine gut lesbare Schriftart mit ausreichender Strichstärke in einer sinnvollen Mindestgröße verwendet werden.

Untertitel für Videos

Untertitel in Videos, Storys, Shorts und Reels sind essenziell, um den Inhalt für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zugänglich zu machen. Viele soziale Netzwerke, wie YouTube, Instagram oder TikTok, bieten in ihren Account-Einstellungen bzw. erweiterten Optionen die Möglichkeit, automatisch generierte Untertitel zu nutzen. Diese automatisch generierten Untertitel sind allerdings derzeit immer noch oft fehlerhaft. Daher empfiehlt es sich, Untertitel selbst hinzuzufügen oder zu kontrollieren und nachzubearbeiten, um die Genauigkeit zu verbessern​​. Der Aufwand hält sich aber auch hier in Grenzen und der Nutzen ist enorm. Auf Businessinsider wurden kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlich, die zeigen, dass auch die Generation Z Untertitel liebt. Die Umfrage wurde Mitte 2023 von dem Forschungs- und Datenanalyse-Unternehmen YouGov durchgeführt. Die Befragung von 1000 Erwachsenen in den USA ergab, dass die befragten 18- bis 29-Jährigen in 63 Prozent der Fälle Fernsehen in ihrer Muttersprache mit Untertiteln sahen. Untertitel sind also nicht nur etwas für Menschen mit Hörbeeinträchtigung.

Verständliche Textgestaltung

Die Möglichkeiten der Textgestaltung auf den Social Media Plattformen selbst ist sehr unterschiedlich. Auf Instagram ist die Textformatierung in Beitragsbeschreibungen zu Beispiel sehr begrenzt. Die Plattform erlaubt keine direkte Textformatierung wie Fett- oder Kursivschrift. Selbst für das Einfügen von Zeilenumbrüchen muss man auf Drittanbieter-Tools zurückgreifen​​​​. Natürlich ist die Gefahr daher groß, dass man sich mit Krücken behilft, um Text zumindest etwas optisch anzureichern. Aber bedenken Sie, dass die meisten optischen Kniffe, zum Beispiel mithilfe von Emojis, vor allem für Screenreader problematisch sind. TikTok bietet im Vergleich zu Instagram einige erweiterte Möglichkeiten zur Textgestaltung in Videos. So können Nutzer Ihre Texte während der Videobearbeitung hinzufügen und visuell anpassen. TikTok bietet dazu eine Auswahl an vorinstallierten Schriftarten wie Schreibmaschine, Handschrift, Klassik, Serif und NEON. Auch die Textausrichtung, die Schriftart und die Farbe des Textes sowie die Farbe des Hintergrundes lassen sich anpassen. Zudem ist es möglich, den Text an beliebigen Stellen im Video zu platzieren und die Dauer einzustellen, für die der Text im Video angezeigt wird​​. Diese Unterschiede in den Textformatierungsmöglichkeiten zwischen Instagram und TikTok zeigen, dass jede Plattform ihre eigenen Richtlinien und Funktionen hat, was die Gestaltung von Texten angeht. Während Instagram bei der Textformatierung in Beiträgen restriktiver ist, bietet TikTok mehr Flexibilität und Kreativität bei der Textgestaltung in Videos. Die Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten bietet aber auch viele potenzielle Fehlerquellen, wenn es um die Barrierefreiheit geht. Denn die Textgestaltung kann das Verständnis erleichtern und unterstützen, oder eben auch nicht. Bei der Gestaltung von Texten in Social Media ist es daher sehr wichtig, sowohl auf die Lesbarkeit als auch auf die Zugänglichkeit für alle Nutzergruppen zu achten. Wichtige Aspekte sind dabei:

  • Klarheit und Einfachheit: Verwenden Sie einfache Sprache und vermeiden Sie komplexe Satzstrukturen. Klar formulierte und leicht verständliche Texte kommen nicht nur Menschen mit kognitiven Einschränkungen, sondern allen Nutzern zugute.
  • Schriftart und -größe: Wählen Sie gut lesbare Schriftarten und vermeiden Sie übermäßig stilisierte oder kleine Schriftgrößen. Social Media Plattformen bieten in der Regel Standard-Schriftarten, die für eine breite Nutzerschaft gut lesbar sind.
  • Kontrast und Farbgestaltung: Achten Sie auf ausreichenden Kontrast zwischen Text- und Hintergrundfarbe, um die Lesbarkeit für Nutzer mit Sehbeeinträchtigungen zu gewährleisten.
  • Strukturierte und organisierte Inhalte: Nutzen Sie, wenn möglich, Absätze, Aufzählungen und Zwischenüberschriften, um Texte übersichtlich zu gestalten. Dies erleichtert das Lesen und Verstehen, besonders für Nutzer, die Screenreader verwenden.
  • Vermeidung von Jargon und Fachsprache: Beschränken Sie den Gebrauch von Fachbegriffen und spezifischem Jargon, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen.

Textlicher Bezug auf visuelle Elemente

Auch harmlose Textverweise auf nichttextliche Inhalte können für manche Menschen eine Barriere darstellen. Bei Texten, die sich auf visuelle Inhalte beziehen, wird häufig übersehen, dass diese nicht für alle Menschen gleichermaßen verständlich sind. Beispielsweise können Menschen mit Farbenblindheit Schwierigkeiten haben, Texte zu verstehen, die Farben in Bildern, Grafiken oder Videos beschreiben. Das gilt auch für stark sehbehinderte oder blinde Personen, die nicht nur farbliche Hinweise, sondern auch Bezüge auf die Form oder Position von visuellen Elementen und Details nicht wahrnehmen können.

Folgendes Beispiel macht das Problem vielleicht deutlich: Ein Instagram-Post zeigt einen Park während eines atemberaubenden Sonnenuntergangs mit dem Text: „Was für ein Farbenspiel. Wahnsinn!“ Diese Beschreibung setzt voraus, dass die Betrachter*innen die Farben bzw. das Bild als solches sehen können, was bei Menschen mit unterschiedlichen Sehbehinderungen meist nicht der Fall ist. Ein inklusiverer Ansatz wäre, zusätzlich zu den Farben auch die Stimmung oder Atmosphäre zu beschreiben, zum Beispiel: „Sonnenuntergang im Park. Was für ein Farbenspiel. Der heutige Abend bescherte uns einen atemberaubenden Moment im Park. Der Himmel, ein Meer in Rosa und Orange. Die Schönheit der Natur in all ihrer Pracht.“ So wird der Inhalt für ein breiteres Publikum verständlich und zugänglich.

Gendern in den Sozialen Medien

Vorneweg, genderneutrale Sprache ist in Bezug auf die Lesbarkeit von Texten, nicht nur für Screenreader-Nutzer, die beste Option. Wenn es nicht möglich ist, komplett genderneutral zu formulieren, sollte mit Augenmaß gegendert werden. Wir haben auf dem Barrierekompass schon mehrere Artikel zum Gendern geschrieben. Nach dem aktuellen Stand der Dinge bietet vor allem das Gendersternchen eine gute Balance zwischen Geschlechtergerechtigkeit und Lesbarkeit. Beim Vorlesen durch Screenreader entsteht eine kurze Pause, die das Geschlechtsspektrum inklusiv abbildet, ohne den Lesefluss erheblich zu stören. Dennoch ist es wichtig, die Verwendung von Genderzeichen bewusst zu wählen. Übermäßiger Gebrauch kann den Text schwerfällig und für Screenreader-Nutzer mühsam machen. Daher sollte das Gendersternchen oder andere Genderzeichen nur dort eingesetzt werden, wo es die Inklusion fördert, ohne die Zugänglichkeit zu beeinträchtigen. Das ist immer ein gewisser Spagat, aber Gendersternchen und Co. sollten auf keinen Fall mit der Gießkanne eingebracht werden. Halten Sie immer die Lesbarkeit Ihrer Texte im Auge.

Fazit:

Inklusion und Barrierefreiheit in sozialen Medien sind nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der bewussten Gestaltung und des Verständnisses für die Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen. Mithilfe der Tipps in diesem Leitfaden können Sie zukünftig vielleicht sicherstellen, dass Ihre digitalen Inhalte auch in Ihren Social-Media-Kanälen ein breiteres Publikum erreichen und für alle zugänglich sind. Viele Tipps sind eigentlich einfach zu befolgen und ohne großen Mehraufwand umzusetzen.

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